Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009


Bis zu den Dünen der Sahara, Marokko 2009

Inhalt Casablanca / Rabat Meknès, Fès Fès Erfoud Ouarzazate Ouarzazate und Fahrt nach Marrakèsch Marrakèsch Vallée de l´Ourika
Casablanca Meknes Fès Erfoud Ouarzazate Kasbahs Marrakèsch V. de l`Ourika

6. und 7. 10. 2009, Fès

Wir wohnen im Zentrum der Ville nouvelle, die die Franzosen seit 1916 angelegt hatten.
Fés, Ville nouvelle
Das im Internet schlecht kritisierte Hotel Wassim entpuppt sich als das schönste bisher. An unserem Zimmer, groß, praktisch eingerichtet, mit riesigem Badezimmer, ist kein Fehl und Tadel. Aus dem Fenster schauen wir auf einem Park mit Palmen, und einen Blick erhascht man vom Boulevard Hassan II mit seinen Springbrunnen und Grünanlagen.
Im Tagebuch habe ich fast nichts notiert. Nur, dass es Zores mit unserem marokkanischen Reiseleiter gab. Aber vorerst quartieren wir uns im Hotel ein, und nach dem Abendessen trinken wir und ein paar andere der Gruppe auf dem prächtigen Boulevard Hassan II einen einheimischen süßen Pfefferminztee. Es ist das einzige Cafe, in dem Alkohol ausgeschenkt wird und in dem Frauen zu sehen sind. Sonst sind alle Lokale den Boulevard entlang fest in der Hand von Männern, und ich würde mich dorthin nicht setzen wollen, auch nicht mit Hans. Ein Straßenmusikant unterhält uns mit arabischen Melodien, die er auf einem Seiteninstrument zupft. Hans findet, er hat zehn Dirham verdient, das sind 90 Cent.
Blick auf die Medina von Fés
Am nächsten Morgen werden wir mit dem Bus zu einem Aussichtspunkt gebracht, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Altstadt von Fès hat. Noch viele andere Busse parken hier, alle Gruppen lauschen auf die Worte ihres Reiseleiters. Unser Reiseleiter spaziert mit dem Handy am Ohr umher, und wir wissen nicht, wo wir uns eigentlich befinden.
Von der österreichischen Reisebegleitung hören wir, dass unser Reiseleiter nicht mit uns weiterfahren will, weil es Beschwerden gab. Wir sind etwas perplex. Und das am Tag des "Höhepunkts der Reise"!
Schließlich bleibt Mohamed diesen Tag noch bei uns, aber eher lustlos. Von den Problemen der Stadt erfahren wir nichts. Ich frage ihn, ob die Jungen nicht von der gedrängten übervölkerten Welt der Altstadt weg wollen - immerhin wohnen 300 000 bis 400 000 Menschen in der Medina. Er sagt nur: "Nein". Im Reiseführer lese ich, dass es im Gegenteil einen "Zuwanderungsdruck" gibt, dass die Altstadt von Fès "ein Magnet der Landflüchtigen aus dem Umland" ist, und dass dieser Trend durch Steuerprivilegien für die Medina-Bewohner noch verstärkt wurde.
1976 beschloss die UNESCO, die Medina von Fès auf die Liste des schützenswerten Weltkulturerbes zu setzen und seither wird an Bau- und Sanierungsmaßnahmen, ökonomischen Projekten, Infrastrukturausbau und ökologisch-kulturellen Projekten gearbeitet, die die Stadt retten sollen.
"Fès ist ein einzigartiges Ensemble aus Moscheen und Medersen, Stadthäusern und Palais, Fondouks und Karawansereien, Werkstätten und Souks, Brunnen und Heiligtümern, Stadtmauern und Befestigungen, Gassenlabyrinthen und Gartenanlagen, Friedhöfen und Riads, Badehäusern und Kanalisationssystemen …. ," lese ich.
Propangasmuli
Durch dieses schleust uns Mohamed, er in der weißen Djellabah an der Spitze, wir mit Fotoapparaten hinterher. Die Gassen sind oft, scheint es, nur einen Meter breit, dicht bevölkert, viele von Geschäften gesäumt. "Attention" ertönt es oft hinter und vor einem. Und nur ein- oder zweimal ist es ein Radfahrer, der durch die Menge will. Sonst sind es immer mit Lasten aller Art beladene Esel oder Maultiere mit ihren Treibern, die sich an uns vorbei drängen. Einige Stunden wandern wir so durch diese bunte gedrängte fremde Welt auf und ab, hin und her durch das Gassengewirr, unterbrochen vom Besuch in einer Koranschule und in traditionellen Handwerkstätten. Wir kehren ein bei einem Metall verarbeitenden Betrieb, der getriebene Messingteller, Emailarbeiten auf Bronze, Silberschmuck und anderes mehr herstellt oder vertreibt. In aller Hektik, denn Zeit ist Mangelware, erwerben wir zwei Schüsselchen, verziert mit Pfauen und Blumen.
Arabesken in einer Koranschule
Weiters besuchen wir das Gerberviertel und hier eine Gerberei. Nasenbetäubender Gestank hängt über der ganzen Gegend. Wie oft an diesem Tag öffnen sich schmale Eingänge in den engen Gassen in mehrstöckige Häuser mit weiten Räumen und prächtigen Innenhöfen. Durch Fluchten von Verkaufsräumen mit einem unbeschreiblichen Angebot von Lederwaren aller Art werden wir auf eine Galerie in einem Oberstock geführt, und es bietet ein unglaublicher Anblick: Uns zu Füßen zwischen den Mauern der alten Häuser erstreckt sich ein großer Platz voll riesiger Bottiche, in denen vorwiegend Schafffelle vom Pelz befreit und anschließend gefärbt werden.
Gerberei in Fés
Die Arbeiter stehen in den Gefäßen mit den stinkenden Flüssigkeiten und schwenken die Felle im Akkord. Ich zitiere das Dumont-Reisetaschenbuch: "Unter extrem harten Bedingungen arbeiten die Gerber hier in der prallen Sonne, bis zu den Knien in den Farbbottichen stehend, den ätzenden Laugen wie einem bestialischen Gestank ausgesetzt - die Touristen fotografieren derweil von der Panoramaterrasse aus ….". Eigentlich wollte ich einen marokkanischen Sitzpolster kaufen, aber in diesem Milieu vergeht mir jede Kauflust. Auch ist wie immer die Zeit knapp.
Lederwaren
Mittagessen in typischem Ambiente, Majolikafliesen an den Wänden, gemütliche Polsterbänke und Hocker um runde Tische in einem glasüberdachten Innenhof mit einer Galerie auf Höhe des ersten Stocks. Wir bekommen marokkanisches Essen: Tagine, Couscous, und einen süßen Blätterteigkuchen gefüllt unter anderem mit Taubenfleisch, eine lokale Spezialität. Hans hat das bestellt, ich ein Couscous. Aber das marokkanische Couscous ist ohne Soße, die sieben Gemüse bestehen hauptsächlich aus Kartoffeln. Hans überlässt mir die Hälfte seines Taubenkuchens, der köstlich schmeckt.
Restaurant

In der Spinnerei, in der es Schals aus Agavenseide gibt, schlage ich zu. Ich kaufe fünf in herrlichen Farben chanchierende Tücher und bin froh, nun den Großteil der Mitbringsel gesichert zu haben. Außerhalb der Medina liegt die Keramikfabrik, in die uns Mohamed zum Abschluss führt - d.h., er bleibt wieder vor dem Tor und übergibt uns einem Deutsch sprechenden Herren in Djellabah. Die Fabrik ist durchzogen von schwarzgrauen Rauchschwaden aus den Brennöfen, beheizt mit Oliventrester. Viele von uns müssen husten. Wir werden durch die Produktion geschleust, auch durch die Räume, in denen an den Wänden junge Leute, vorwiegend Männer, kauern, die die Teller, Schüsseln, Tagine-Kochtöpfe und Fliesen bemalen. Auch hier erfüllen einen die Arbeitsbedingungen je nach Temperament mit Mitleid oder Wut. Aber wahrscheinlich sind die jungen Leute froh, überhaupt eine Arbeit zu haben.
Töpferei
Geschäft eines Kupferschmied


Das schönste Erlebnis in Fès ist für mich die Fahrt mit dem "Train touristique" durch die Dämmerung der nouvelle ville. Gleich ums Eck bei unserem Hotel auf dem parkähnlichen Hassan II-Boulevard ist der Start der weißen Liliputbahn. Obwohl schon Oktober ist die Abendluft so mild, dass uns der Fahrtwind angenehm um die nackten Arme bläst. Im ohrenbetäubenden Lärm des Stadtverkehrs zur Rush-hour rattert unser Bähnchen zuerst auf der Fahrbahn rechts und links der Grünfläche, auf der die Bewohner und Bewohnerinnen von Fès sich ergötzen, den Boulevard hinauf und wieder hinunter. Dann stechen wir in die Mellah, das jüdische Viertel hinein, das am Vormittag ausgestorben war, jetzt aber voll leuchtender Auslagen und kaufender Menschen ist, die Liliputbahn erkämpft sich auch hier ihren Weg. Wir wissen weder, wo wir hinfahren noch wo wir uns befinden, helle Plätze mit viel Verkehr, belebte Straßen mit Männern und Frauen in europäischen, aber noch mehr in langen marokkanischen Trachten, beleuchtete Wasserfontänen, Palmen und prächtige Eingangstore - vielleicht alle zum Königspalast, denn wir fahren weite Strecken an mit Zinnen geschmückten Mauern entlang - flitzen an unserem kleinen Zug vorbei, und nach 45 Minuten steigen wir aus, als wären wir in einem Film über tausend und eine Nacht gesessen.

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Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009 Email: ruth.linhart@chello.at