Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009


Bis zu den Dünen der Sahara, Marokko 2009

Inhalt Casablanca / Rabat Meknes, Fès Fès Erfoud Ouarzazate Ouarzazate und Fahrt nach Marrakèsch Marrakèsch Vallée de l´Ourika
Casablanca Meknes Fès Erfoud Ouarzazate Kasbahs Marrakèsch V. de l`Ourika

9. 10. 2009, Fahrt nach Ouarzazate

Heute haben wir die Fahrt über den Antiatlas vor uns, 345 Kilometer. Hauptattraktion wird der Besuch der Schlucht von Todrha sein.

Beim Aufwachen sehe ich vom Bett aus eine Palme vor dem Fenster. Überall Bougainvilleas in voller Blüte. Unser Zimmer ist sehr groß und landesüblich mit vielen Textilien ausgestattet. Die Zimmer sind ebenerdig, bei den vielen Schlangen und Skorpionen, die es hier geben soll, freute mich das nicht, aber die Eingangstür ist total abgedichtet und vor dem Fenster ein Fliegengitter, sodass wir mit geöffneten Fenster schlafen konnten, bei der Hitze ein Vorteil.
Ein wunderschöner Morgen, wir frühstücken im Schatten am Pool. Dann Abfahrt..

Platte mit Fossilien
Als erstes werden wir von Said in eine Verarbeitungsstätte von Ammoniten, die in der Gegend gefunden werden, gebracht. Der Händler versucht uns zu überzeugen, dass die zugegeben wunderschönen Tischplatten und anderen Gegenstände ohne Belastung für uns per Post in unser Heimatland geschickt werden könnten, aber niemand greift das Angebot auf.
Im Bus erzählt Said wieder ein bisschen über die Landessitten. Männer begrüßen sich alle mit einem Kuss, sagt er. Ein Vorgang, der sich mehrere Male wiederholt. Eine Frau küsst niemals den Mann ins Gesicht, sondern die Hände des Mannes bei der Begrüßung. Sie küsst seine Hand, dann küsst er ihre Hand. Und das setzt sich fort. Dazwischen Fragen und Antworten (ich nehme an, nach dem Befinden, der Familie etc.) "Als letzte küsst die Frau, aus Respekt für den Mann".
Auch Frauen küssen einander die Hände, sagt Said.
Heute ist Freitag, der traditionelle Feiertag der Moslems, aber wie schon erwähnt sind in Marokko Schulen und Banken und öffentliche Stellen am Freitag in Betrieb. "Wegen des Exports und der Verbindung mit dem Ausland." Die Kinder gehen auch am Samstag in die Schule. Am Freitag gehen Moslems auf den Friedhof, erzählt Said weiter. Dorthin bringen sie Rosenwasser und Orangenblütenwasser, und sie pflanzen duftende Blumen.

Irrigationssysteme bei Jorf
Die Fahrt wird im Gebiet der Oasen von Jorf (Schorf ausgesprochen) unterbrochen, um das traditionelle Irrigationssystem zu besichtigen. Wie riesige Maulwurfshügel erheben sich mehrere Meter hohe Sandhäufen soweit das Auge reicht in der Wüste neben der Straße. Sie sind Teile einer unterirdischen Bewässerungsanlage , die früher überall im Maghreb verbreitet war, eine Technik, die wahrscheinlich im persischen Raum entwickelt wurde. Von einer wasserreichen Region, wie es der Atlas ist, werden Kanäle gegraben und das Wasser fliest durch die natürliche Neigung des Terrains bis zu den Oasen. In letzter Zeit führte man in den meisten Regionen modernere Bewässerungssysteme ein, aber im Tafilalet werden die Kanäle auch heute noch benützt. Die Hügel entstehen, weil beim Bau der Kanäle in kurzen Abständen Schächte gegraben werden, das ausgegrabene Erdreich bildet die Sandberge, die ins Auge fallen. Die Schächte dienen als Einstiegstrichter für Arbeiter. Ich bewege mich misstrauisch auf den Sandbergen und wittere Einsturzgefahr, in der Reiseliteratur lese ich, mit Recht. Man soll sehr vorsichtig sein, denn das Erdreich ist locker, und aus dem Inneren des Schachtes gibt es ohne Hilfe von außen kein Entrinnen.
Dromedare
Bei einem Fotostopp mit Kamel betont Said, dass wir es hier mit Dromedaren zu tun haben. Kamele hätten zwei Höcker, die Tiere hier haben aber nur einen!
Said weist auch auf einen einsamen Punkt in der Wüstenweite und berichtet, dass hier ein deutscher Architekt ein Haus gebaut habe, ganz mit der Natur, ohne Strom.

Ein Problem im gesamten Gebiet ist die Versalzung des Bodens, und Said berichtet von versuchten Maßnahmen dagegen, zum Beispiel Pflanzungen von Bäumen, die aber oft nicht wachsen, weil es hier zu hoch - über 1000 Meter - und zu heiß sei. Tinejdad heißt der Ort, durch den wir nun fahren und die nächste größere Stadt ist Tinehir. Der bedeutende Berber- Marktort des Sahara-Vorlandes mit zirka 15 000 Einwohnern liegt in einer vom Fluss Todrha bewässerten Oase, lese ich im Reiseführer. Wir biegen hier in Richtung Todrha-Schlucht ab und bleiben auf halber Höhe stehen.
Tinehir
Fast unwirklich schmiegt sich der orangefarbene Ort in die Senke zwischen den orangefarbenen Bergen und an eine prächtige Oase mit Palmengärten und grünen Feldern. An der Straße wachsen wilde Kapern.
Wilde Kapern
Said erzählt, dass durch den Todrha-Bach eine 80 km lange Oase gespeist wird und dass hier vier Monate Schnee liege, zwei Monate davon bis in die Oase.
Wenig später, schon in der Schlucht, rechts und links der Palmen und Felder steigen orangerosa Felswände auf, werden wir zum versprochenen Spaziergang aus dem Bus gelassen. Alle gehen mit, aber für einige Reiseteilnehmer wird die kleine Flussüberquerung zum Problem. Auch ich nehme gerne die Hand des jungen Berbers, der sich hier ein Bakschisch verdient, als ich von Stein zu Stein balanciere. Dann fahren wir mit dem Bus bis zu einer besonders engen Stelle, die Weiterfahrt scheint nur mit einem Geländewagen möglich. Zwanzig Meter ist die Schlucht breit, die Granitwände sind 200 bis 300 Meter hoch, ausgeprägt rosa, versetzt mit leuchtend grünen Flecken, wenn sich irgendwo Vegetation anklammern kann.
Schlucht von Todhra
Wir kehren in einem großen Restaurant ein.
Bei der Weiterfahrt unterhält uns Said mit einer Schilderung des Heiratsmarktes, der jedes Jahr in einem Ort des Hohen Atlas abgehalten wird. Drei Tage dauert er. Am ersten Tag treffen die "Jungs und Mädchen" aufeinander. Sie suchen einander selbst aus. Ja, die Mädchen seien verschleiert, aber das passiere mittels "Augensprache". Die Augen lächeln.
Bereits der zweite Tag bringt den Ehevertrag. Für die Frauen muss ein Kaufpreis gezahlt werden. In einigen Orten in Marokko gibt es Mobilstandesämter. Der Heiratsmarkt, so Said, ist wie ein Supermarkt von Jungen und Mädchen.
Am dritten Tag kauft man ein für die Hochzeit und beginnt die Hochzeitsfeierlichkeiten, die wiederum drei Tage dauern. Am ersten Tag feiern Freunde und Familie, am zweiten Tag nur die Frauen, am dritten Tag nur die Männer.
Said bemerkt nebenbei, dass das Gästezimmer das teuerste Zimmer in jedem marokkanischen Haus sei.

Es ist schon Nachmittag und vor uns liegt die Fahrt über die "Straße der 1000 Kasbahs" - Kasbahs sind die romantisch in die Landschaft gesetzten Wohn- und Speicherburgen - nach Ouarzazate.
Die großartige Landschaft, durch die wir an diesem späten Nachmittag gleiten, kann ich nicht mehr fotografieren, denn von einem Foto zum nächsten hat mein Sony-Apparat seinen Geist aufgegeben! Im Süden erstrecken sich dunkle, braune und anthrazitfarbene Ketten von Berggipfeln, der Antiatlas. Von der Straße bis dorthin eine flache, ockerfärbige Gegend.
Silberminen im Antiatlas
Ab und zu oasenartige Plantagen, Grünstreifen, grüne Flecken. Ebenerdige Bauernhäuser - in Marokko könne man ebenerdig ohne Baugenehmigung bauen, sagt Said - in der Farbe der Gegend, ohne Fenster, ein Auto steht daneben. Jetzt zweigt eine Straße zu den Bergen im Süden ab - Silber und Quecksilber werden dort gefördert , höre ich Said von vorne im Bus. Nun kommt eine völlig kahle riesige rötlichbraune Ebene, die sich zwischen Antiatlas im Süden und Hohem Atlas im Norden wölbt. In der späten Sonne funkeln neben der Straße Nylonsackerln, Plastikflaschen und Scherben. Mist, der aber die Illusion von Bergkristallen oder Diamanten aufkommen lassen könnte.
Von Boulmane-du-Dadès an begleitet uns der Fluss Dadès. Diese Stadt wird "Rosenstadt" genannt. 400 ha Rosen wurden gepflanzt, es gibt ein Rosenfest und das Rosenwasser sei berühmt. Der Prophet habe Rosenwasser immer für seine Augen benützt, so Said.
Rosenstadt
Viele Häuser haben hier eine Art Zinnen am Dach, zum Schutz gegen den bösen Blick und gegen Augenkrankheiten, erklärt Said. Die Fenstergitter im ersten Stock und im Parterre dienten zum Schutz für Kinder, damit sie nicht hinausfallen. Said sagt auch, dass in dieser Gegend viele Frauen außer Haus ganz verschleiert seien und nur ein Auge zum Sehen frei ließen. Ich erblicke aber aus dem Bus nur Frauen mit freiem Gesicht.
Die nächste Stadt heißt El-Kelaa-des-Mogouna, ebenfalls eine Rosenstadt. Das Licht ist wunderbar. Am Himmel schweben jetzt ein paar Wölkchen. Als wir zwei Zelte passieren, glaubt Said, dass hier für jemanden, der aus Mekka zurück gekehrt ist, ein Fest veranstaltet wird. Eines der Zelte sei für die Frauen, eines für die Männer.
Am Straßenrand wachsen oft schilfartige Gewächse, Pfahlrohr, Said nennt sie "Berberbambus".
Jetzt in der Dämmerung sind die Berge lila Ketten rechts und links am Horizont, dazwischen die gerundete Erdoberfläche mit Steinwüste bedeckt. In der Mitte all dessen die Straße, auf der wir brausen. Prächtiger Sonnenuntergang. Als im rosablauen Abendhimmel die schwarzen Silhouetten von Palmen auftauchen, werfen wir im Bus uns ungläubige Blicke zu. "Wie im Kino. Unwirklich schön….!" Wie auf Vereinbarung knipsen alle ihre Leselampe aus.

 |  Casablanca  |  Meknes  |  Fès  |  Erfoud  |  Ouarzazate  |  Kasbahs  |  Marrakèsch  |  V. de l`Ourika
Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009 Email: ruth.linhart@chello.at