Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009


Bis zu den Dünen der Sahara, Marokko 2009

Inhalt Casablanca / Rabat Meknes, Fès Fès Erfoud Ouarzazate Ouarzazate und Fahrt nach Marrakèsch Marrakèsch Vallée de l´Ourika
Casablanca Meknes Fès Erfoud Ouarzazate Kasbahs Marrakèsch V. de l`Ourika

6. 10. 2009, Meknès und Fès

"Sabach il chia", sagt Mohamed und wir murmeln etwas Entsprechendes.
Es ist früh am Tag und wir sitzen schon im Bus. Reger Verkehr in Richtung Rabat. Salé sei billiger zum Wohnen, erklärt Mohamed. Arbeit gibt es aber in Rabat, wo sich Ministerien und andere Institutionen befinden. Der Himmel ist wieder schön, sanfter Dunst liegt über allem.
Mohamed kommt darauf zurück, dass unsere Reise aus zwei Teilen besteht, der Besichtigung der Königsstädte Rabat, Meknès, Fés und Marrakesch sowie der Fahrt in den Süden durch die bergigen Landschaften. Er schlägt uns von Erfoud, unserem südlichsten Ziel, aus eine Wüstenfahrt im Landrover vor. Fast alle wollen mitmachen.
Mohamed: "Wir fahren heute auf der Landstraße, nicht auf der Autobahn, damit wir mehr von der Gegend sehen". Die Gründe seien außerhalb Rabats viel billiger und es werde viel gebaut. Die Leute zahlen 400 bis 600 Euro für den Quadratmeter. Die Häuser hier hätten keine Keller.
Zwischen den Fahrbahnen blüht Oleander in allen Rottönen und Weiß. Die Gegend ist sehr grün und ganz flach. Palmen. Bougainvilleas, Bananenstauden, Bambushecken (kann das sein?) und Hibiskushecken. Pferde , viele Störche.
Ausgedehnte Korkeichenbestände
Links passieren wir eine der vielen Residenzen der königlichen Familie. "Hierher kommt der König, wenn er Lust auf Reiten hat." Alle hundert Meter oder so die lange Mauer entlang sind je zwei Soldaten postiert.
Später kommen wir an einem großen weißen Gebäude vorbei, es ist eine Gelddruckerei.
Nun begleitet uns ein 130 000 ha großer staatlicher Korkeichenwald. Kork wird nach Frankreich exportiert, für Weinflaschen, erzählt Mohamed. Aber in Marokko werde Kork auch gegessen.
Am Straßenrand stehen junge Leute, die Kork und Trüffel verkaufen. "Ein Kilo Trüffel kostet zehn Euro. Die Trüffel werden ebenfalls nach Frankreich exportiert. Es gibt auch Wildschweine, die werden von den Franzosen gejagt", so Mohamed. Verkauft werden auch Eicheln, die man laut Mohamed wie Kastanien isst. Die Korkeichenwälder seien ein sonntägliches Ausflugsziel der Rabater. "Sie kommen zum Picknick hierher".
Als wir aussteigen, sehen wir die Spuren davon. Nicht nur Eicheln liegen auf dem Boden herum, sondern auch Wasserflaschen aus Plastik und Diverses aus Nylon.

Viehwirtschaft zwischen Rabat und Meknés, im Vordergrund Holzwirtschaft mit Eukalyptus
Weiterfahrt. Die Erde ist hier rötlich. Wir sehen viele Schafe und Kühe, sie weiden in lichten Wäldern. Immer mehr Verkäufer stehen am Straßenrand. Dann Straßenpolizei mit Kamera. Weiter drüben ist die Autobahn. Kreisverkehr.
Wir fahren durch kleine Städte. Viel wird gebaut. "Investoren aus großen Städten", sagt Mohamed. Er spricht von Bauspekulation. "Viele der Häuser gehören auch Gastarbeitern, die im Ausland leben, in Frankreich, Holland usw. " Hier wohnen meistens Araber, hören wir, aber 85 % der Bevölkerung Marokkos seien Berber.
Viele Berber seien arabisiert. Hauptsprache des Landes ist Arabisch. Viel mehr erfahren wir aber von Mohamed nicht über die Berber, die ursprüngliche Bevölkerung Marokkos. Der Name soll vom römischen "barbari" herrühren, aus dem schließlich die "Berber" wurden. Das ist aber nicht erwiesen. Eine Frau, al-Kahina, führte um 700 die Berber im Kampf gegen die damals unter dem Banner des Islam auf das Gebiet des heutigen Marokko vordringenden Araber. Mit dem Tod der bis heute bei den Berbern hochverehrten Seherin und Königin war der Widerstand gegen die eindringenden Araber gebrochen. In "Wikipedia" lese ich unter dem Schlagwort "Berber": "Heute bezeichnen sich einige Berber, insbesondere in Marokko, als `Imazighen´ (Freie), um sich in einer eigenen, in ihrer Muttersprache gefassten Volksgruppenbezeichnung wiederzufinden. Üblicherweise benutzen die Berbervölker aber die Namen der einzelnen Volksstämme (zum Beispiel Rifkabylen oder Tuareg)."
Weiter geht die Fahrt Richtung Meknès durch ein landwirtschaftlich sehr erschlossenes Gebiet. "Hier gibt es Bauern und Pächter, die für Großgrundbesitzer arbeiten. Die Pächter erhalten 20 Prozent der Ernte, " sagt Mohamed. Größere Bauern wohnen in kleineren Städten, wie wir gerade eine durchfahren. Ernte gebe es nur einmal im Jahr, in erster Linie Weizen, auch Hülsenfrüchte. Berühmt seien die Trauben bzw. der Rotwein von Meknès.
Nun verkaufen Frauen am Straßenrand Eier, Honig und Milchprodukte. Mohamed: "Derzeit wartet man auf Regen. Letztes Jahr hat es sehr stark geregnet, darum ist alles noch so grün." Dann erwähnt er, dass 1972 120 000 ha Land an arme Leute verteilt worden und dass kleine Genossenschaften gegründet worden seien. Mehr über die Landreform, die in Ansätzen nach dem Ende der französischen Kolonialzeit durchgeführt wurde, erfahren wir nicht. Dafür erzählt uns Mohamed, dass es hier eine Gendarmerie und dass es sehr viele Unfälle gebe, dass die Leute zu schnell führen und heuer schon über 2000 Tote im Straßenverkehr zu beklagen seien. (In Österreich starben 2008 ungefähr 700 Menschen, allerdings ist die Bevölkerung Marokkos viermal so groß und die Fläche mehr als fünfmal so groß).
Die Radargeräte der Gendarmerie seien Geschenke von Frankreich.
Olivenbäume zwischen Rabat und Meknés
Die nächste Stadt heißt Tiflet. "Vor ein paar Jahren war hier nur ein Wochenmarkt", bemerkt Mohamed. Wegen der Landflucht werde viel gebaut. Die Frauen sind mit Einkäufen unterwegs, mit verhülltem Kopf und Djellabah. Man sieht neben Autos und Mopeds auch Esel als Reit- und Lasttiere.
Dann wird die Gegend hügeliger. Olivenbäume. Jetzt sei Erntesaison, erfahren wir. Unterirdische Wasserkanäle dienen der Bewässerung.
Mohamed spricht ein bisschen über Soziales. "Das Zusammenleben in der Familie ist sehr wichtig, am Land und auch in der Stadt. Altersheime gibt es höchstens in Casablanca oder Rabat. Die besten soziale Versicherung ist die Familie. Es ist religiöse Pflicht bei uns, sich um die Eltern zu kümmern. Beamte haben eine Krankenversicherung. Aber Handwerker und Bauern sind nicht versichert. In staatlichen Krankenhäusern bekommt man aber, wenn man Armut nachweisen kann, alles gratis. Eine normale Krankenbehandlung kostet 20 Euro. Polizisten verdienen 300 bis 500 Euro. Davon kann man schön leben. "
In Casablanca seien die Mieten teuer, aber am Land wohnten alle Leute in Häusern, es gebe keine Mietwohnungen. "Der Lehrer wohnt gratis."
Feigenkakteen als Grenz- und Weidezäune
Dichte Hecken von Feigenkakteen begrenzen die Grundstücke, dienen als Zäune. Die Früchte - Kakutusfeigen - werden gegessen.
Wieder eine Stadt. Khemisset. Die Platanenalleen in den Orten haben ihr Vorbild in Frankreich, erfahren wir von Mohamed.
Hier sehe ich aus dem Bus, anders als in Tiflet, viele Frauen ohne Schleier und Kopftuch, gekleidet in Hosen.

Nach der "technischen Pause", wie unser Reiseleiter sich ausdrückt, sitzt in dem Bus, in dem wir angeblich alles liegen lassen können, weil vom Busbegleiter aufgepasst wird, ein fremder Mann, ein blinder Passagier. Er drückt sich in den Winkel der hintersten Busreihe. Hans entdeckt ihn. Der Reiseleiter fordert ihn auf, zu gehen. Er schüttelt trotzig den Kopf. Erst als die gesamte dreiköpfige Busbesatzung ihn unter Druck setzt, verlässt er widerwillig den Bus. Ein unangenehmes Gefühl bleibt.
Die weite Hügellandschaft ist bedeckt mit Olivenbäumen, sonst wirkt sie eher braun, schon abgeerntet. Kleine Lastautos, die vom Wochenmarkt kommen, mit Schafen oder Federvieh auf dem Dach, überholen uns. Ich sehe auch einen Esel und eine Kuh, festgebunden auf der Ladefläche.
Truthähne werden am Straßenrand verkauft. Oder Sanderbsen, die ähnlich wie Kichererbsen sein sollen. Auch Schnecken, Olivenöl und Granatäpfel werden angeboten.
Jetzt tauchen Weingärten auf. Der Ort und die Weinmarke von hier heißen "Djellal". "Eine sehr fruchtbare Gegend", sagt Mohamed.

Bab Mansour
Meknès, die zweite Königsstadt auf unserer Reise. Es ist mittags und heiß und unsere Aufnahmekapazität ist eingeschränkt. Es ist wohl der Place el Hedim, der zwischen der Mellah, dem jüdischen Viertel, und der Medina liegt, wo wir das 1732 vollendete Bab el Mansour bewundern. Es gilt als das schönste Stadttor Marokkos. Meknès wird von einer historischen Gestalt beherrscht, von Moulay Ismael. 1667 hatte die Dynastie der Alaouiten die Regentschaft von Marokko übernommen. Diese Dynastie herrscht bis heute. Und 1672 bis 1727 hielt Moulay Ismail das Szepter in der Hand. Er machte Meknès zur Hauptstadt, ließ eine 40 km lange Stadtmauer um die Stadt bauen und ist auch sonst berühmt für seinen gigantomanischen Lebensstil. Sein Heer zählte 150 000 Mann, er soll sich 500 Haremsdamen gehalten haben und der Vater von 700 Söhnen gewesen sein. Nach seinem Tod versank Marokko in Nachfolgekämpfe, Meknès in Unbedeutendheit. Die Sultansresidenz wurde in das nur 60 km entfernte Fès verlegt. Heute ist Meknès eine bedeutende Militärbasis und Zentrum der einheimischen Nahrungsmittelindustrie.
Mausoleum von Moulay Ismael
Nach dem prächtigen Stadttor besichtigen wir auch noch das Mausoleum von Moulay Ismael. Es beeindruckt durch wunderbare Stuckornamente, Decken aus Zedernholz und begeistert wie alle tradtionellen Gebäude durch geflieste Innenhöfe in den schönsten Farben. Zum Abschluss dürfen wir auch noch in eine Moschee. Hier wird für uns die Toilettenanlage für die Gläubigen aufgesperrt. Sie ist ein ziemlicher Tiefpunkt.
Auf Fragen unserer Reisekollegen hat Mohamed ein bisschen etwas über den Islam erzählt. Marokkaner sind Sunniten. Er hat aber resümiert: "Wichtiger als die Religion ist bei uns die Tradition."
Interessant ist, dass in Marokko Sonntag öffentlicher Feiertag ist, an dem Schulen, Banken und Ämter geschlossen sind. Die Handwerker in den Altstädten, so Mohamed, halten aber am Freitag Ruhetag.

Weiterfahrt. Rechts und links der Straße Pomeranzenbäume, sie werden auch Bitterorangen genannt. Oliven werden mit ihnen zusammen eingelegt. Manche Bauern arbeiten auf den Feldern mit Traktoren, manche mit Eseln oder Maultieren.
Nächstes Ziel ist der Wallfahrtsort Mulay Idris. An der Straße Pfefferminze, Olivenbäume, sehr viele Agaven. Aus Agaven werde Seide gemacht, höre ich mit Staunen. Ganz spezielle Stoffe. Auch Djellabahs werden daraus genäht.
Der Wallfahrtsort Moulay Idris
Von Mulay Idris bekommen wir wenig zu sehen. Fotostop auf einem gegenüberliegenden Hügel. Mulay Idris ist der wichtigste marokkanische Wallfahrtsort und bezieht sich auf Mulay Idris I, der ein Nachkomme des Propheten Mohammed war und das erste unabhängige marokkanische Reich im Norden des heutigen Marokko gegründet hat. Eine Pilgerfahrt zu diesem Wallfahrtsort könne die Fahrt nach Mekka ersetzen, allerdings nur, wenn man sie sieben Mal macht. Wir sehen viele weiße Häuser und eine Moschee in ihrer Mitte. Die Moschee dürften wir als Christen sowieso nicht betreten, aber die Stadt dachten wir doch zu besuchen. Doch daraus wird nichts. Wir erklimmen mit dem Bus einen steilen Hügel und werden statt in den Wallfahrtsort in ein Speiselokal geführt.

Ganz in der Nähe liegt Volubilis - so heißt auch die schöne blaue Prachtwinde auf Lateinisch.
Die römische Stadt Volubilis
Vollubilis ist ein Ort, der tausend Jahre alte Geschichte atmet. Auf einem Hügel ein weitläufiges Ausgrabungsgelände. So weit das Auge blickt Hügelketten und braune Berge. Die ehemalige Berbersiedlung wurde 45 nach Christus von Kaiser Caligula eingenommen und war der entfernteste Außenposten des römischen Reiches. Wunderbare Fußbodenmosaiken sind erstaunlicherweise ungeschützt Sonne, Wind und Regen ausgesetzt. Die Überreste von Triumphbögen, Forum, Kapitol und Basilika, aber auch von Bädern und Bordellen zeugen davon, dass reges Stadtleben herrschte. Heute liegt die Hitze eines südlichen Herbsttages über den Säulen, Steinblöcken und Fliesen. Wenn unser Führer gerade einmal seinen Redefluss unterbricht, herrliche Stille.
Fußbodenmosaik in Volubilis
Mohamed hat uns am Eingang einem älteren Mann in blauem Hemd übergeben, der voraus marschiert und ohne auf unsere Nachzügler zu warten in deutschen Wortfetzen und abenteuerlichen Satzkonstruktionen zum Großteil Unverständliches herunter rattert. Eigentlich ärgerlich, aber die Unklarheiten, die entstehen, belustigen uns auch. War diese Ruine nun ein Hundehaus oder ein Hurenhaus oder ein Hurenhaus mit Hundehaus davor?

Stausee auf dem Weg nach Fés
Im Bus kündigt uns Mohamed Fès als Höhepunkt der Reise an. Fès wurde schon 808 nach Chr. von Mulay Idris II gegründet und ist die älteste der vier Königsstädte. Die mittelalterliche Medina ist UNESCO-Weltkulturerbe. Um 860 stiftete eine Frau, Fatima Bint Mohamed El -feheri, die angeblich älteste Universität der Welt.
Mohamed gibt uns seine Handynummer, falls wir morgen einander in der Medina verlieren.
Zwischen sandfarbenen Hügeln, zu deren Füßen sich Olivenhaine hinstrecken, rollen wir auf diese Stadt zu. Davor noch ein Fotostop an einem weitläufigen lichtlblauen Stausee.

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