Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009


Bis zu den Dünen der Sahara, Marokko 2009

Inhalt Casablanca/Rabat Meknes, Fès Fès Erfoud Ouarzazate Ouarzazate und Fahrt nach Marrakèsch Marrakèsch Vallée de l´Ourika
Casablanca Meknes Fès Erfoud Ouarzazate Kasbahs Marrakèsch V. de l`Ourika

5.10. 2009 Casablanca bis Rabat

Mein erster Eindruck von Casablanca um Mitternacht: Viele Palmen. Ein wunderbares Gefühl, wir sind im Süden!
Dann das Hotel Idou Anfa, im Stadtzentrum, vier Sterne, eher schäbig, doch sauber. Nur die Bettwäsche ist zerknittert, also wohl schon benützt! Ich schlüpfte in meinen blauen Seidenschlafsack.

Stunden später. Wir waren schon in der Dachbar des Hotels und haben das Meer der "casa blanca" gesehen. Casablanca, über vier Millionen Einwohner, eine der größten Städte in ganz Afrika. Inmitten des Häusermeers die große Moschee, umweht vom Morgennebel.

Das ist die größte Sensation von Casablanca: Die Grande Mosquée Hassan II. Sie wurde 1993 fertig gestellt. Sie soll 750 Millionen Euro gekostet haben, immens viel Geld, und die Marokkaner wurden, hören wir, zu freiwilligen "Geldgeschenken" an ihren König verpflichtet. 100 000 Gläubige finden im Innenraum und rund um die Moschee Platz. Angeblich ist es die zweitgrößte Moschee in der islamischen Welt. Sie liegt direkt am Meer. Der französische Architekt Michel Pinseau hat den Grund dem Meer abgewonnen.
Während wir über den riesigen Platz auf die Moschee zugehen, öffnet sich der Blick auf eine blaue weite Bucht. Ein weißer Leuchtturm in der Ferne. Wieder wie in der Dachbar bin ich überwältigt. Ich bin wirklich in dieser Stadt, deren Name so viele Assoziationen weckt. Unhörbar sage ich mir vor: Ich bin in Casa blanca! Ich bin in Casablanca!
marokkanische Handwerkskunst
Während die meisten Moscheen für Ungläubige verschlossen sind, müssen wir hier während der Führung nicht einmal unsere Haare mit einem Kopftuch bedecken! Aber natürlich heißt es die Schuhe auszuziehen. Diese in der Hand folgen wir dem einheimischen Führer staunend durch das gigantische Gebäude. Über 2500 der besten Handwerker des Landes arbeiteten Tag und Nacht an der Moschee. Mit Blumenmustern bemalte Decken aus Zedernholz, feinste Stuckschnitzereien und ornamental geschmückte Majolikafliesen begegnen uns auch später immer wieder in den marokkanischen Baukunstwerken, seien es Moscheen, Mausoleen, Koranschulen oder Paläste. Auch einige der Gaststätten, in denen wir einkehren, schließen an diese Tradition der Raumgestaltung an.
Nebel in Casablanca
Zum Schluss dürfen wir sogar die WC-Anlage des Hamam (oder war es der rituelle Waschraum?) benützen, und zu unserem Erstaunen dient sie sowohl für Männer wie für Frauen.

Als wir aus der Moschee kommen, hängt weißer Nebel über allem. Auch das 200 Meter hohe Minarett taucht nur schemenhaft daraus auf. Meer und Leuchtturm sind nicht mehr zu sehen.

Weiterfahrt im Bus. Viele Frauen mit Kopftuch auf den Straßen, mit Kopftuch und bodenlangen Gewändern. Unser marokkanischer Reiseleiter (von jetzt an "Mohamed " genannt, wie er sich vorstellte) sagte aber: "Marokko ist anders" - was die Stellung der Frauen angeht. Zum Beispiel baden die Frauen im Badeanzug, antwortet er auf die diesbezügliche Frage.
Wir fahren durch "die neue Stadt", la nouvelle ville. Sie wurde zur Zeit des französischen Protektorates erbaut, zwischen 1912 und 1956. Wie ich im Reiseführer lese, nach dem Vorbild von Marseille. Links ist ein Friedhof zu erkennen, mit Palmen. "Es leben auch viele Christen hier", informiert uns Mohamed.
Rechts Slums. Auf jedem der Dächer Satellitenschüsseln.
Dann geht es das Meer entlang. Nebel, der sich farblich an die schneeweiße Stadt anpasst, auch hier. Am Strand viele Baustellen. Ein Mc Donalds. Ein Tahiti Beach Club.
Atlantik und Badelandschaften
Wir steigen aus, ein kleiner Spaziergang auf der breiten Strandpromenade. Ausgedehnte Badelandschaften mit Bassins und Terrassen voll Liegestühlen sind vorgelagert. Der Atlantik selbst ist sicher zu heftig zum Schwimmen. Alles fast menschenleer. Leider, leider, ist das Meer, das wir bei der Moschee Hassan II kurz aufblitzen sahen, noch immer von dichtem Dunst verhangen.
Wären wir allein, wir würden hier sitzen bleiben, in einem der Strandcafes, und warten, bis die Sonne wieder scheint und das Meer seine blaue Farbe zurück gewinnt.

Casablanca ist eine industrielle Stadt, so Mohamed. Mit dem Bus gleiten wir durch ein Viertel, in dem Reiche wohnen. "Ein Quadratmeter Grund kostet 20 000 bis 25 000 DH - das sind zirka 2000 bis 2500 Euro."
Nur Einfamilienhäuser. Prächtige weiße Villen, wunderbare Blumen. Hibiskushecken, Trompetenbäume, Bougainvilleas. Und natürlich Palmen.
Jetzt Mittelschicht-Gegend, Büros. Blühender Oleander. Elektronische Werbetafeln.
"In Marokko gibt es zwei große Welten", sagt Mohamed: "Die Königsstädte, die wir zuerst besichtigen. Nach dem dritten Tag sehen wir nur Landschaft."
Alles ist arabisch und französisch angeschrieben, sehr dankenswert! Aber ich habe kein Französisch-Wörterbuch mit!
"Französisch ist Amtssprache. Die Kinder müssen Französisch in der Schule lernen."
Wir passieren moderne Hochhäuser mit viel Glas. In der Mitte der Straße Ficus Benjamin- Bäume. Und Jacarandabäume mit lila Blüten.

"Obwohl alles chaotisch ist, funktioniert alles. Alles funktioniert nach dem Prinzip Inschallah, so Gott will", erklärt uns Mohamed angesichts der turbulenten Straßenszenen.
Er lehrt uns "Guten Morgen", "Sebah el kheir", wird aber ausgesprochen wie "Sabach il chia".
"Danke" heißt "chukran".

Gerichtsgebäude
Jetzt scheint wieder die Sonne. Wir fahren an einem Park vorbei. Häuserfronten im französischen Baustil, weiß, mit kleinen Balkonen und schmiedeisernen Gittern. Schließlich Place Mohammed V. mit Gerichtshof, Post und Nationalbank, die Gebäude alle im kolonialen Stil. Fotostop.
Nun liegt zu unserer linken Seite die Altstadt. Sie ist von einer roten Mauer umgeben. Wir fahren an ihr vorbei.
Bankomaten sehen wir, ein Gebäude von Maroc Telecom.

Pause auf einem Markt. Mohamed sagt, wir sollen uns Brot und Käse kaufen, als Mittagsjause. Unsere Reisebegleiterin und wir beschließen jedoch, eine Kleinigkeit in einem Lokal zu essen. Wir bestaunen fotografierend die Überfülle an Lebensmitteln, die hier geboten wird. Fische, Fleisch, alle Gemüsesorten, die man sich denken kann, Olivenkörbe. (Gerade ist Olivenernte, haben wir gehört). Obst, Blumen.
Markt in Casablanca
Wir kaufen zwei Bananen, das ist alles. Die Bananen schmecken hier viel süßer als in Wien.

Der Reiseleiter, ein etwa 50jähriger schlanker Mann, trägt heute das marokkanische Nationalgewand, die Djellabah, ein weißes Kleid mit Kapuze. "Es soll mit der Hand genäht werden", sagt er. Vier bis fünf Tage brauche man, um eine Djellabah zu nähen. "Einen Kaftan tragen nur die Frauen und nur zu Hause". Außer Haus tragen auch die meisten Frauen das lose lange Gewand mit der Kapuze.

Mohamed erklärt, dass der Schleier hier für Frauen untypisch sei, wir sehen aber gerade verschleierte Frauen. "Ältere Damen tragen ihn", so Mohamed. Zum Schutz vor Grabschern.
"Bei uns Grabscher haben wir genug". Als Mohamed merkt, dass wir etwas bestürzt sind, weil er das so leichthin sagt, fügt er hinzu: "Nicht erlaubt, aber schon gewohnt."

Autobahn Casanblanca/Rabat
Beim Hinausfahren aus Casablanca passieren wir soziale Wohnsiedlungen.
Wir kommen zu einer Autobahn-Mautstation. "Private PKWs zahlen bis Rabat 2,10 Euro:"
Die Autobahn bringt uns in einiger Entfernung vom Meer, aber so nahe, dass wir es noch manchmal blau aufleuchten sehen, nach Rabat, der ersten "Königsstadt" auf unserer Reise und der heutigen Hauptstadt des Landes.

Taginen
Zuvor noch Rast an einer Autobahnstation. Mohamed hat sich vom Markt ein gebratenes Hühnchen mitgenommen und der hiesige Wirt teilt es für ihn, den Chauffeur und den Busbegleiter. Wir verziehen uns nicht, wie er es wünscht, in den Park hinter den kleinen Gaststätten, sondern eifern dem mitreisenden Ehepaar B. nach und bestellen uns eine Tagine mit Gemüse und Fleisch. Dieses Essen ist typisch marokkanisch. Es wird in einem runden, aus gebranntem Lehm gefertigten Gefäß portionsweise über dem offenen Feuer geschmort. Der Teller ist mit einem kegelförmigen Deckel, der das Typische dieses Gefäßes ist, bedeckt. Wir sitzen auf einer schattigen Terrasse und freuen uns über diesen einheimischen Genuss. Auch der Kaffee schmeckt stark und gut.

Rabat ist seit 1912 Hauptstadt von Marokko. Seit in diesem Jahr die Protektoratsverträge mit Frankreich in Kraft traten. Mit seiner Schwesterstadt Salé gemeinsam hat es eine Bevölkerung von 1,5 Millionen Menschen. Die beiden Städte werden vom Fluss Qued Bou Regreg getrennt, der hier in den Atlantik mündet.
Palastwachen
Wir fahren durch ein Viertel mit Ministerien. Der Palastbezirk ist von einer roten Mauer umgeben. Auf dem weiten Platz vor dem Königspalast verlassen wir den Bus. Wir spazieren zum Eingangstor des Palais Royal, der Hauptresidenz des jungen Königs Mohamed VI, der vor zehn Jahren seinem Vater Hassan II auf den Thron gefolgt ist. Alle zwei Stunden lösen sich hier die königlichen Palastwachen ab, aber das fällt nicht in die Viertelstunde, in der wir hier verweilen. Mohamed berichtet uns, dass der König derzeit in Agadir sei und dass er, wie sein Vater, immer mit einer Begleitung von 2000 bis 3000 Menschen reise. Ich überlege, wie so viele Leute auf einmal befördert werden können!

Chellah
Anschließend fahren wir mit dem Bus zur Meriniden-Grabstätte Chellah, wo es auch römische Fundamente der antiken Siedlungsstätte Sala gibt. Die Türme sieht man vom Königspalast aus. In der überaus wechselhaften Geschichte Marokkos waren die Meriniden, die zum Nomadenstamm der Zenata-Berber gehörten, vom 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts von Bedeutung. Ab 1269 beherrschte beherrschten sie das gesamte Land und machten Fès zu ihrer Hauptstadt.
Diese Grabstätte und Ruinen einer Medrese gruppieren sich malerisch an einem Abhang in Richtung Fluss mit Blick auf die am Hügel gegenüber liegende Stadt Salé. Der halb verwilderte Park gleicht einem botanischen Garten mit südlichem Pflanzen- und Blütenreichtum. Die weißen Glocken der Engelstrompeten, knallblaue Prachtwinden, tiefrote Hibiskusblüten, goldene Wandelröschen und viele andere Pflanzen, auch Orangenbäume!
Auf dem Minarett ein Storchennest samt Störchen als malerisches Fotomotiv. Und am Boden allüberall Katzen und wieder Katzen, die überraschend gut aussehen, keineswegs die abgemagerten Katzen von Orientreisen früherer Jahrzehnte.
"Jetzt ist die Zeit, in der die Störche von Europa nach Marokko kommen.", hat uns Mohamed informiert, und tatsächlich flattern viele durch den wunderschönen blauen Himmel.
Als wir zum Bus zurückgehen, ein malerisches Bild: Vor uns der blaue Fluss, jenseits davon die weiße Stadt Salé und darüber spannt sich der durchsichtige Himmel. "Unwirklich schön", sagt Hans.

Dann fahren wir in Richtung Mausoleum Mohamed V.
Unser Bus steht im Stau bei der Französischen Schule. Stau, weil die Eltern die Kinder gerade von der Ecole Francaise "André Chénier" abholen. "Sicher alles Kinder von reichen Leuten", sagt Mohamed. Nach dem Abschluss studieren viele der Schüler und Schülerinnen in Frankreich. Mütter und Väter eilen mit ihren Sprösslingen auf dem Gehsteig oder sitzen in ihren Autos. Auch Frauen sehe ich an den Lenkrädern. Unter den Müttern viele, die westlich gekleidet sind und die Haare frei tragen. Eine schöne schwarze Frau wagt sogar ein T-Shirt mit Spagettiträgern.
Mausoleum Hassan II
Wir kommen nur im Schritttempo voran, passieren die Englische Botschaft, die nächste Schule, ebenfalls eine Privatschule, wenn auch eine marokkanische. Mohamed sagt zu, uns irgendwann einmal etwas über das marokkanische Schulsystem zu erzählen.
Das Mausoleum für Mohamed V, den ersten König des unabhängigen Marokko ab 1956, in dem auch Hassan II begraben ist, blendet wenig überraschend durch große Pracht, vor allem die Decke begeistert uns. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich der Hassan-Turm, nach dessen Vorbild auch die Minarette der Moscheen von Marrakesch und Sevilla erbaut wurden. Der Turm gehört zu einer unvollendeten Moschee aus dem 12. Jahrhundert, die auch durch einen Wald an Säulenstümpfen angedeutet ist. Übrigens hat uns Mohamed erzählt, dass in Marokko die Minarette viereckig sind, nicht rund wie in den übrigen islamischen Ländern.
Wir wandern bis zum Abhang, um den schönen Blick auf Fluss und Salé zu erhaschen. Alles ist in goldenes Spätnachmittagslicht getaucht.

enge Gassen in der Kasbah
Im Bus kündigt Mohamed an, dass wir nun zur Kasbah des Oudaias fahren, die die Altstadt, die Medina überragt, und dort marokkanischen Pfefferminztee trinken können, der sehr stark gesüßt wird. "Die Marokkaner konsumieren 36 bis 40 Kilogramm Zucker im Jahr". (Ich weiß nicht, wie viel die Österreicher konsumieren! Im Internet finde ich nur einen Beitrag aus dem Jahr 1951, damals konsumierten wir 24 Kilogramm Zucker).
Medina Rabat
Eine für unsere Gruppenreise ungewöhnlich lange halbe Stunde gewährt uns Mohamed im Café Maure, das auf einer Terrasse der Kasbah schon zwischen 1915 und 1918 erbaut wurde. Wir sitzen vor unserem picksüßen Tee mit den Pfefferminzblättern und verlieren uns in der romantischen Umgebung, Flussmündung, über die kleine Boote schiffen, von hellblau bis rosa changierender Abendhimmel. Und zwischen den alten Bauten wieder die exotische Blütenpracht.
Danach steigen wir durch die engen Gassen der Kasbah, die eine Art Burganlage ist, hinauf und zum Bus zurück.

Das Hotel Rihab macht einen schlechten ersten Eindruck auf mich, weil das Zimmer nicht gut geputzt ist. Allerdings ist das Frühstück am folgenden Morgen das beste auf unserer Reise!

Nach dem Essen, zu dem wir gemeinsam mit dem Ehepaar B. eine Flasche marokkanischen Rotwein trinken, sitzen wir mit 15 anderen Österreichern unserer Gruppe auf der mondbeschienenen Terrasse und trinken Schnaps, den eine der Reiseteilnehmerinnen in einem Duty Free Shop am Flughafen Frankfurt gekauft hatte. Zu diesem Zweck annektieren unsere Mitreisenden alle Sessel und auch alle Gläser der Bar. Französische Gäste zeigten deutlich ihren Ärger!

Müllcontainer Rabatt
In der Nacht schrecke ich wegen großen Gepolters auf. Vom Fenster aus sehe ich, dass neben dem kleinen Platz mit den zwei Palmen ein Müllwagen mit laufendem Motor dröhnt, zwei Müllmänner, mindestens ebenso gut wie in Wien ausstaffiert, leeren einige große Müllcontainer in rasender Eile mitten auf dem Platz auf die Straße und sammeln dann wieder einen Teil des Drecks ein, um ihn in den Müllwagen zu schütten. Auf der Straße einige Gestalten, Männer und Frauen in langen Gewändern, die sich am Müll betätigen. Der Müllwagen braust davon, nachdem alle Container so behandelt wurden, die Leute beschäftigen sich noch auf der Straße. Ich rätsle, was da vor sich geht. Erst am nächsten Morgen erfasse ich, dass wahrscheinlich arme Leute sich auf diese Weise an dem Teil des Mülls bedienen können, der noch nützlich für sie ist.

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Ruth Linhart | Reisen | Fotos Marokko 2009 Email: ruth.linhart@chello.at