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Das weisse Haus Gol Baithak

8.3.1995, Nagarkot


Terrassenlandschaft mit Hahn bei Nagarkot
Morgen. Stille. Nur viele Hähne krähen weit entfernt in den Hütten und Siedlungen, in den Senken und an den Hängen. Das gestern um 11.30 Uhr abgebrannte Haus raucht noch immer. Rauchschwaden auch aus anderen Hütten. Vielleicht Kindergeschrei. Jedenfalls ferne kindliche Töne. Sonst Stille. Das ist ganz selten. Bei uns ist das manchmal so im Wald. In der Stadt nie.
Hügel bei Nagarkot
Ich sehe zum Fenster hinaus, eine braune Kuppe mit Flaum obendrauf, vielleicht eine Aufforstung, dahinter weitere Bergketten, die ansteigen. Das heißt, die Ketten, unregelmäßig geformt und sich überschneidend, ziehen von West nach Ost oder von Ost nach West sich nur mäßig in der Höhe verändernd, aber jede Kette ist anders hoch als die anderen und hinter diesen Bergketten erheben sich die hohen Berge. Vom Langtang angefangen bis aus dem Ostfenster vielleicht der Mount Everest. Hans wachte auf, zog den Vorhang beiseite. "Was siehst du?" "Die Berge." Er war schon barfuß draußen, bevor ich noch aus dem Bett heraußen war. Es ist wolkig, gegen Osten sehr sehr wolkig. Ein paar blaue Streifen am Himmel. Auf einen weißen Gipfel scheint etwas die Sonne. Die Pfirsichbäume waren noch zu sehr im Dämmern, um sie ohne Blitz zu fotographieren. Gegen Kathmandu hin Dunst. Gestern abend sah man dort viele orange Lichter.
Es ist klammkalt. Jetzt bellen auch Hunde. Ich schlief im Schlafsack, mit Leibl und Nachthemd und den Kopf eingehüllt in meinen Schal. Ich träumte viel. Es scheint mir, ich hätte die ganze Nacht geträumt. Ich träumte, daß im ganzen Land die Briefmarken neu zu ordnen seien und ich erzählte meiner Exschwiegermutter, daß ich durch S., meinen Exmann, viel mit Briefmarken zu tun gehabt habe und mich daher jetzt beworben habe um die Neugestaltung. Das Ganze hatte mit dem Büro, Telefonnetzen und Graz oder Klagenfurt zu tun. Aber das meiste habe ich vergessen. Jetzt zeigt sich der Langtang weiß und spitz. Es ist ein reinweißes Dreieck, das vom Hotel aus in der Abendsonne immer noch rosa leuchtet, wenn die anderen Berge schon erloschen sind. Hans schläft wieder.

Heute ist Mittwoch. Vergangenen Freitag sahen wir diese Täler und Kuppen, die Flußbetten und Reisterrassen von oben und die hohen weißen Berge auf gleicher Höhe. Es wird immer heller. Vielleicht können wir heute dorthin gehen, wo die Rhododendren blühen.
Gestern klopften wir auf die "Felsen". Hier zerbröckelt alles. Was wie harter grauer Fels aussieht, kann man mit der Hand abbrechen. Auch der Schiefer bricht auf leichten Schlag auseinander. Jetzt verstehe ich erst, was mit dem gemeint war, daß das Land "jung" sei, daß jeder Regenguß Straßen zum Absturz bringt. Daß hier alles "noch lebe". Das ist einfach noch nicht erhärtet, ungefestigt. Zusammengepreßter Lehm. Die Sonne kommt ein bißchen vor die Wolken.

Die Künstlerin sagte ja, daß hier so vielen schlecht im Magen werde. Hoffentlich uns nicht. Das Essen kocht einer der Burschen. Man hört ihn Gemüse schneiden und es riecht nach Zwiebel. Es knistert. Dann bringt er zwei Teller, auf dem der duftende Reis ausgebreitet ist - es riecht wie bei uns der Basmati-Reis. Vielleicht kommt der aus Nepal. Und dann bringt der Bursch ein Schüsselchen mit Saft - Linsen vielleicht, und eine Schüssel mit gewürztem und gegarten Gemüse. Mittags waren das nur Kartoffelscheiben mit ein bißchen Zwiebel. Abends gab es auch Karotten, Fisolen und in dem Saftschüsselchen ein paar Stückchen Hühnerknochen mit etwas Fleisch. Es schmeckt zuerst nach nichts, dann erst kommt die Schärfe. Aber recht zurückhaltend. Ich glaube, außer Reis gibt es hier nichts, was nicht scharf gewürzt ist.

Gestern, als wir spazierten, sprachen wir über Holz. Daß das kein Wunder ist, daß hier die Wälder abgeholzt sind, weil die Leute ungeheure Mengen Holz brauchen - zum Heizen, zum Kochen und zum Bauen. Jetzt beleuchtet die Sonne die aufgeforstete Kuppe gegenüber. Es wird alles detailreicher. Die Bäume haben Farbe. Auch die Terrassen sind gestreift, wahrscheinlich dunkel die Fläche, beige der Abhang von einer Terrasse zur anderen. Gegen Osten ist alles im Dunst.

Frühstück. Der Porridge war sehr flüssig, aber ich habe ihn gegessen. Um 1/2 9 Uhr sind schon jede Menge westlicher Wanderer unterwegs. Hans brachte ich nur mit Strenge aus dem Bett. Hier hängen fünf Bilder mit weißen Schals und Blumenkränzen geschmückt in dem Aufenthaltsraum: Bob Marley, die Rote Tara, der König und die Königin, der Dalai Lama und eine Kali oder Durga mit 4 Armen, stehend auf einem schönen Prinzen, mit einem tibetanischen Trommelchen in der Hand und einer Schlange um den Hals. Kali, Durga oder Vajra Yogini hat einen blauen Schal und eine Gehirnschale mit Blut und einen abgehackten Kopf in der Hand und streckt die Zunge heraus. Sie hat auch eine Schlange herumgeschwungen und einen Lendengürtel voller abgehackter Köpfe, die die Augen offen haben, zum Teil schauen sie verzweifelt drein, grimmig, oder auch fast lustig. Die Tara hingegen schaut edel und hält fein die Fingerchen weggestreckt. Sie ist die Göttin des Erbarmens und hier äußerst geschätzt, las ich, und in Japan ist sie zur Kannon geworden. Sie ist, glaube ich, die Gefährtin des Amithaba. Die Sonne scheint und wir sollten gehen. Die Burschen pfeifen und singen. Gestern in der Kathmandu Post las ich, daß in den letzten Jahren die Zahl der Frauen, die Ausländer heiraten, stark angestiegen sei. Seit 1944 waren es soundsoviele. Etliche Japaner waren unter den Männern, keine Österreicher. Es drehte sich um zirka fünfzig bis sechzig Frauen. Man mischt hier in den Zeitungen in einem Artikel die nepalesische und die westliche Zeitrechnung. Aber in Japan ist das ja auch so, fällt mir ein. Und dort nehme ich es ganz selbstverständlich hin. Es klopft irgendwo. Zuerst summte eine Biene. Jetzt wieder. Auf den Spitzen der Äste sah ich zweimal einen großen Sänger, etwa lerchengroß, gelb und braun und auch wieder ein schwarz-knallrotes Vögelchen. Und aus dem Tal kamen vorher Laute wie von einem fernen Schwimmbad. Raben gibt es auch. Hans sagt, ihr Krächzen habe ihn aufgeweckt. Das Telefon läutet.

Wir sind irgendwo. Zirka eineinhalb Stunden vom Farmhaus entfernt. Eine Wiese auf einem Bergrücken mit Aufforstungskiefern. Sonne. Es duftet unheimlich süß. Wind. Ich sitze im Schatten einer Kiefer mit vielen rostroten Nadeln. Die Wiese ist sehr trocken. Bienen. Berge im Norden. Zwei Turboprop-Flugzeuge flogen wieder über uns - im Anflug auf Kathmandu. Über uns ist gerade ein Flugzeug der NECON-Air. Drei Buben kamen daher. Einer mit ziemlich dreckigem weißen Schal um den Hals. Eher ein großes Handtuch. Er trug einen schwarzen Anzug. "Hallo! Photo?" Der große Bursch, der kleine Bruder, der Freund mit Rotzglocke. "Shall I send you?" Ja. Schreibt seinen Namen und die Adresse in mein Notizbuch. Der Bursch geht in die neunte Schulklasse. Er ist auf dem Weg ins Bad. Ein Fest für junge Männer muß stattfinden.
Träger rasten eineinhalb Stunden von nagarkot entfernt
Denn näher bei Nagarkot kamen größere Gruppen Burschen den Berg herunter, einer von ihnen trug immer eine Tikka auf der Stirn und einer trug sogar einen Flitterkranz um den Hals. Wir haben eine Trekking-Gruppe überholt. Zuerst Träger, die rasteten. Sie trugen auch Kohlköpfe mit. An einer Kurve lagerten die Trekker, manche lagen in der Sonne, andere waren dabei, irgendetwas zu tun. Die Träger warteten gesondert von ihnen in einer Gruppe. Ich machte ein Foto von den rastenden Trekkern. Die Träger lachten. Es ist wirklich idyllisch hier. Hans fühlt sich leider nicht wohl.
Die Häuser am Wegrand oder an den Hang geschmiegt. Praktisch alle strohgedeckt. Manche aus Steinen(?), manche sind mit oranger Farbe heruntergeputzt. Jetzt machen wir uns wieder auf den Weg.

Hans kam zurück, trank Wasser, legte sich aufs Bett und hoch kam es, wie ein Springbrunnen. Er glaubt, die Frühstückseier sind schuld. Ganz arm liegt er im Bett, schläft, was das Beste ist, und ich genieße und habe fast ein schlechtes Gewissen. Es ist so traumhaft schön hier. Ich sitze vor unserem Zimmer Nummer zehn. Als wir frühstückten, rief eine amerikanische Frauenstimme an und fragte, ob von morgen bis Dienstag das Zimmer am weitesten im Osten, Nummer zehn, frei sei. Unser Zimmer. Ich sitze hier an der Ecke unserer Terrasse auf einem Sessel. Der Wind bläst. Ich habe Anorak, Pullover und Leiberl an und Schal. Aber die Sonne ist wiederum stark, sodaß ich mich in den Schatten gesetzt habe. Leute singen bei der Arbeit. Hähne krähen. Manche Hähne sind enorm große Prachtstücke. Einen fuchsfarbenen sahen wir in der Siedlung gleich am Fuße unseres Berges. Wir gingen insgesamt zirka drei Stunden, aber der Rückweg war leider für Hans eine Qual.
Ich sehe den ziemlich flachen Kiefernbergrücken, bis zu dem wir gingen, von hier. Das Ende des Höhenrückens mit einem Anwesen und einem großen Baum würden wir in zwei bis drei Stunden erreichen, glaube ich. An einer Stelle blühten neben dem Weg ein paar lila und weiße Veilchen und winzige strahlend blaue Blümchen. Pfirsichbäumchen hier und dort, weißblühende Büsche. Aber immer so als Einzelwesen, daß man sie genügend würdigt. Die Kinder schreien oft "Hallo" und "Photo". Hansi, sehr erschöpft, fotographierte eine Gruppe von vier bis fünf Kindern, dann dieses und jenes Mäderl. Am Fuße unseres Berges ist ein Anwesen, dessen Bauer mit zwei Ochsen eine Terrasse pflügte. Hin, her, her, hin. Jedesmal, wenn die Tiere wenden mußten, stieß der Bauer einen tiefen Laut aus. Ein Bub, vielleicht der Sohn, hütete ein paar Ziegen und Büffel. Es gab zwei Mädchen, ein größeres, ein kleineres. Ab zwölf zirka scheinen die Mäderln hier wie auch die Frauen Saris zu tragen. Eine sehr unpraktische Kleidung für die Feldarbeit.

Mädchen bei Nagarkot, das sich für Geld fotografieren lässt
"Photo, Photo!" rief uns jedenfalls eines der beiden Mädchen nach. Wir drehten uns gar nicht um. Da kam die Kleinere der beiden mit zwei abgerissenen Blütenstengeln von einem Busch. Erfreut blieben wir stehen. Hans zückte halt doch seine Kamera. "One Rupie", verlangte das Kind jetzt in befehlendem Ton. "Two rupies", steigerte sie gleich darauf. Hans fand keine Rupie-Scheine in seiner Geldtasche. "No Rupie". "Yes, yes, Rupie, Rupie!" tobte die Kleine und stampfte zornig in den Boden. Hans entnahm meiner Tasche fünf Rupies, ich drängte der älteren Schwester die Blumen zurück in die Hand. "Don't want them!" Das Mädchen zerbröselte sie zwischen ihren Fingern. Die Kleine war schon weg nach ihrem guten Geschäft. Widerlich. Gleich darauf kam ein Bub. "One Rupie!" Ich war nahe daran, ihm eine Predigt zu halten, daß er sich schämen solle, so herumzubetteln.

Woanders hielt eine Frau im Sari einen Schlauch an den Brunnen. Ihr Mann schaffte ihr etwas an. Ein Wasserrinnsal floß aus dem Schlauch durch das Terrassenfeld. Künstliche Bewässerung.

Den Bub, dessen Adresse ich habe, sah ich später in einem Graben bei einer Wasserstelle zwischen Gemüsebeeten plantschen und sich die Füße waschen. Der weiße Schal war tatsächlich ein Handtuch gewesen. Jetzt hatte er den schwarzen Anzug ausgezogen.
Woanders saß eine Frau mit einem Kind vor dem Haus und zwei kleine Mäderln waren auch dort, von denen eines ein winziges bunt angezogenes Baby liebkoste. Sechs bis sieben Kinder ist die Reproduktionsrate in Nepal, las ich im Master-Plan für den nepalesischen Wald. Am meisten Kinder werden von 20- bis 25jährigen Müttern geboren.

Woanders wieder liegen auf einer Strohmatte auf der gestampften Terrasse vor dem Haus ausgelöste Maiskerne zum Trocknen. Auf ein Haus war ein weißer Donnerkeil - Vajra - gemalt. An einem anderen gab es einen Blitzableiter in Form eines Vajra aus Blech. Die ländliche Idylle hier schaut sehr lieblich aus. Aber die Leute sind sicher bitterarm, und die Jungen hier wollen sicher auch nach Kathmandu. Ich setze mich jetzt in die Sonne. Hier ist der Wind fast noch stärker. Aber man sieht besser die rosa Pfirsichbäume und hört Radio, "Kathmandu" und "Nepal" sind häufige Worte im Radioprogramm. Über die Berge ist jetzt ein Band weißer Wattewolken gezogen. Genau über die Kette mit den Scheegipfeln.

Schusterwerkstatt im Süden von Kathmandu
Kinder arbeiten hier viel. Nicht hier in Nagarkot, aber in der Stadt und entlang der Autostraßen. Als Schuhputzer und Flicker, als Rikscharadler, als Steinezerkleinerer, als Bauarbeiter, als Straßenarbeiter, als Souvenirverkäufer, als Anheuerer für diverse Kaufleute, als "guides". Vielleicht, ziemlich sicher sogar, das meiste "schwarz". Aber es gehen auch viele Kinder zur Schule, was man an den Schuluniformen sieht.

Frauen: hier wird überhaupt nur Hans angesprochen. "Sir, dinner is ready!" Ich lasse Hans vorgehen, Sachen bestellen, Einkäufe sanktionieren, Geld wechseln, unterschreiben. Manchmal allerdings muß ich mich in den Vordergrund drängen. Wenn ich mit Visa-Karte bezahle. Auch ist die Rechnung hier auf meinen Namen ausgestellt. Der junge Mann konnte das nicht recht begreifen. Man sieht Frauen eigentlich nur zu zweit oder zu dritt und Männer in Gruppen mit Männern zusammen. Auch größere Gruppen. Oder Männer zu zweit, oft zärtlich umarmt. Händchen halten Hans und ich hier gar nicht. Das wäre anstößig. Es geht mir aber ab. Und auf das Essen mit der rechten Hand - die linke ist fürs Klo - vergesse ich regelmäßig. Ich esse einfach genußvoller mit der linken Hand.

Wo sah ich Frauen arbeiten? Praktisch nie als Kellnerin. Im Vajra und auch sonst bedienen nur Männer in den Lokalen. In der Küche sind auch nur Männer, an der Rezeption im Hotel sah ich einmal eine Frau mit Brille sitzen. im Vajra räumen Frauen auf. Im Reisebüro war ein Bürofräulein im Sari, die unsere NECON-Flugtickets ausfüllte und mich fragte "Miss oder Mrs.?", eine Frage, die bei uns auch nicht mehr vorkommt. Die Frau, die uns die Schulhefte verkaufte. Die Frau, die uns den Klebstoff (der nicht pickt) verkaufte. Sie war in einem Kiosk im Bazar, eine junge Frau, die Augen dick schwarz ummalt, wie die Kumari. Sie saß auf einer Art Podium auf der Höhe der Theke und stand kurz auf, um den Klebstoff zu holen, wie auf einem Tisch, und hockte sich dann wieder hin. Im Handel gibt es viele Frauen, aber in den Stoffgeschäften oder Juwelengeschäften sind nur Männer. Halt, die Thankahändlerin war eine junge Frau. Frauen sitzen, die Beine angezogen, oder im Schneidersitz, in den Geschäften oder am Straßenrand. Frauen spinnen und Frauen weben auch.

Frauen waschen Wäsche
Frauen waschen Wäsche, das sieht man sehr oft. An der Straße oder in einer Wasserstelle beim Haus. Im Museum im Hanuman Dhoka, im King Mahendra Memorial Museum, war eine der Museumswärter eine Frau. Sie saß im Schneidersitz gelangweilt auf einem Sessel und hatte einen Sari an, eine Brille auf und Glasperlenketten der verheirateten Frauen um, eine kurze und eine längere. Das sind Ketten aus vielen Reihen winzig kleiner Glasperlen, viele orange, aber auch andersfärbig. Ich möchte mir so etwas noch kaufen. Auch auf den Feldern sieht man viele Frauen, hauptsächlich Frauen, aber auch Männer. Heute sah ich sogar einen Mann Wäsche waschen. Jetzt kommt ein Laster die Straße herauf. Außer einem gelben Rover heute vormittag ist das das erste Auto, das ich hier sehe. Aber wir beobachteten einige stolz ausstaffierte einheimische Motorradler.

In einer Woche sind wir schon wieder daheim. Nicht vorstellbar. Ich werde schauen, was Hans macht und mir Tee holen.
Hier gibt es richtiges nepalesisches Essen. Reis, Linsensuppe und Gemüse. Jede Mahlzeit. Leider mußte ich mittags alleine essen.

Kerzenlicht. Der Strom fiel bald nach dem Einschalten des Generators aus. Sturm weht. Im Speiseraum ist es relativ "cosy". Man sieht die Lichter des Kathmandu-Tales. Anscheinend sieht man, wenn es klar ist, Bodnath von hier. Hans meinte, man könne diese stadtnahe ländliche Idylle mit dem Wiener Wald vergleichen. Mit dem Schöpfl etwa.
Hans trank 2 Cola und jetzt trinkt er ein Bier. Er ist schon wieder ganz gut auf. Liest Heinrich Harrer. Er aß aber nichts. Ein amerikanischer und ein nepalesischer Bursch teilen das Farmhouse heute mit uns. In der Küche klappert Geschirr, wahrscheinlich wird abgewaschen. Hans und ich versicherten einander zuerst, daß wir uns doch auf daheim freuen, das Wasser ist sauber, es gibt Warmwasser.
Vorläufig freue ich mich schon auf das Vajra in Kathmandu, obwohl ich das Nagarkot-Erlebnis nicht missen möchte. Hoffentlich weht es unser Häuschen nicht weg, oder das Dach. Als die Sonne im Westen unterging, sehr malerisch, mit schönstem Abendrot , wehten rasende Wolken über die Gipfel des dreizackigen Berges, den ich heute so oft fotographierte - Manaslu, Gauri Shankar oder ein anderer. Zum Sonnenuntergang waren fast alle Berge vom Westen bis in den fernsten Osten, wo der Mount Everest sein soll, mit Wolkenkrönchen, weißen Gemäldewölkchen, die rosa schimmerten, verziert.

Im Radio waren ausführliche englische Nachrichten. "World Conference on Social Development" in Kopenhagen. Der nepalesische Prime Minister und der Minister for Social Welfare, Health and Education sind dort. Ich verstand schlecht, was ihre "addresses" beinhalteten. An der Spitze der Nachrichten gab es eine Meldung von einer Hochzeit aus einem "palace".
Dann die Konferenz in Kopenhagen. Dann Women's day. Heute ist Internationaler Frauentag. In Kathmandu hat die Neplal's Womens'Association oder so ähnlich ihr Programm vorgelegt und es gab eine Ralley von Schülerinnen. Ob die Chair-person der Womens'League ein Mann oder eine Frau ist, wurde mir nicht klar. In Afghanistan wird gekämpft. In Kabul. Und in Karachi wurden amerikanische Diplomaten erschossen. Vor der Nacht graut mir ein bißchen.

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