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Das weisse Haus Gol Baithak

25.2.1995, Patan und Bhaktapur


Patan
Wir sahen die Berge so schön wie noch nie bisher. Alle drei hohen Gipfel, die zu Kathmandu gehören, den Ganesh Himal, den Achttausender namens Gosainthan und den Langtang Lirung. Allein zu wissen, daß diese weißen Zacken die höchsten Berge der Welt sind, noch mehr als 6000m höher als das Kathmandutal!

Am Morgen Nebel und kalt. Gestern laut "Kathmandu Post" max. 18,5 Grad, min. 0,5. In Pokarah ist es wärmer, die Tiefpunkte sind nicht so tief.

Gestern sprachen wir noch kurz mit der Dame, die Künstlerin ist, schon vor zwei Jahren in Kathmandu war und mit dem Swami zu den Mithila-Frauen gefahren ist, jenen, von denen wir ein Bild gekauft haben. Sie meinte, wenn wir drei Wochen da seien, werden wir sicher einmal zusammen zu Abend essen. Ich schlief spät ein, weil ich gar nicht so müde war.
Heute also Frühstück. Um 10' vor 10 Uhr war der Taxifahrer schon da. Dunstiges Kathmandu. Samstag ist Sonntag. Massen von Leuten waren unterwegs. Der unglaubliche Straßenverkehr. Man fährt wie in Trance durch dieses Gehupe und diese Gassen. Über die Brücke nach Patan , die Schwesterstadt von Kathmandu. Sie wird auch Lalitpur genannt, aber aus meiner Kindheit kenne ich sie nur unter dem Namen Patan. Patan soll älter sein als Kathmandu, dieses gegründet im 10. Jahrhundert nach Christus, Patan um 650. Wir blieben beim Dhurbarplatz stehen und machten mit dem Taxichauffeur einen Zeitpunkt für die Weiterfahrt aus.
Salzhändler in Patan
Auch hier wie überall breiten die Händler alle Waren auf dem Boden am Straßenrand aus, und die Handwerker verrichten die Handwerkstätigkeiten auf dem Boden, Friseurtätigkeiten, Schuhflicken. Händler mit Trauben und Mandarinen. Ein Mann mit den Säcken voll kristallartiger Salzbrocken, gelblich und gräulich angehaucht.
Der Dhurbar-Platz. Voll Pagoden, Tempeln. Vielleicht heißt einer Krishna Mandir. Mir fehlte die Sandelholzpagode.
In Patan war ich zuerst einmal gerührt über das Wiedersehen und ich hätte mich dieser Stimmung gerne ein bisschen hingegeben, und dann mit Hilfe des Baedekers die Tempel identifiziert. Aber dazu kam ich natürlich nicht, denn wir wurden sofort und beharrlich von kleinen Buben angeredet. "Germany?" "No, Austria". "Alles klar!" Wir lachen. Vielleicht ist Austria (Ostria) über die Entwicklungshilfe hier bekannt.
Am Durbar Platz in Patan
Einer der Buben blieb bei uns hängen, begleitet von seinem ihn bewundernden Freund. Woher wir kämen. Ob wir schon mal da gewesen seien. "Ja. But very long ago." "And therefore you have to look in your guide, because you have forgotten". Ich lache. "Genau!" Der Kleine hatte gewonnen. Er redete wie ein Erwachsener englisch und wirkte wohl erzogen und gescheit. Ob er uns führen soll. Nein. Er gab nicht auf und schließlich gaben wir nach. Aber er sah ein, dass wir wenig Zeit haben, weil das Taxi wartet. Also nur der Goldene Tempel. Dort war gerade Messe. Er erklärte uns einiges. Dass Tara die Göttin der Weisheit sei, Tara mit den sieben Augen, drei im Gesicht und jeweils auf den Handflächen und Fußsohlen. Und daß man nicht mit Lederschuhen in den Tempel dürfe, weil die aus Tieren gemacht sind. Er führte uns im Uhrzeigersinn rundherum und erklärte uns noch vieles andere, was mir natürlich nicht mehr einfällt.
Während wir im Goldenen Tempel waren, sprach Hans ein pockennarbiger Mann nach Kurt Waldheim an. Ein anderer tätschelte unseren kleinen Führer am Kopf. Nach dem Tempel leitete der Kleine uns dirket in ein Thanka-Geschäft, versicherte uns aber, wir bräuchten nichts kaufen, und erklärte uns, welche wie teuer sie seien. Der Geschäftsinhaber sei sein Cousin. Dann ließ er uns allein, vereinbarte aber quasi mit uns, daß er uns am kommenden Montag am Dhurbar-Platz in Patan treffen würde, um uns die anderen wichtigen Tempel zu zeigen.

(Die Deutschen am Nachbartisch haben uns erzählt, sie hätten in der Zeitung gelesen, daß ein Kaufmann am Flughafen verhaftet wurde, der 39 000 Dollar geschluckt hatte. Er wurde ins Spital gebracht und dort bekam er ein Abführmittel.

Als wir schon im Taxi saßen, kamen zwei Burschen, die Parkplatzgebühren verlangten, die wir zahlen mußten, 5 Rupien und keine Quittung. Weiter über Harisiddhi nach Godavari, wo wir Berggipfel des Pulchowki die spektakuläre Aussicht auf das Kathmandutal mit der Himalayakette im Hintergrund genießen wollen.
Ländliche Gegend im Kathmandutal
Die Gegend wird ländlich. Terrassenfelder. Wir überqueren irgendwo nochmals den Bagmati, wo er fast wüstenhaft ausgetrocknet ist. Gegen Godavari hin wird das Tal strukturierter. Hügel, Einbuchtungen, Terrassen, oft unglaublich schmal. Grün und gelb. Was wächst dort? Ich würde sagen Reis und Raps. Aber ohne Wasser? Das kommt vielleicht erst im Monsun, aber es gibt hier doch zwei, drei Reisernten im Jahr. Vielleicht nicht hier, doch nicht, sondern nur in Japan? Zwischen Patan und Harisiddhi fahren wir an vielen Ziegeleien vorbei. Jeweils zwei Brennöfen, die ausschauen wir konische Kamine stehen nebeneinander, oben kommt grauer Rauch heraus. Stöße von Lehmziegeln und gebrannten Ziegeln aufgeschlichtet. Beim Ankommen sind wir hier darüber geflogen. Viele Häuser sind aus diesen Ziegeln gebaut.
Spinnereibetrieb
Andere Handwerksarbeiten, die wir bisher gesehen haben: Frauen, die spinnen, Schafwolle. Übrigens auch hier ganz in der Nähe. Und auf dem Weg nach Swayambunath haben wir Steineklopfer gesehen. Schuster, Friseure, Raseure. Die Friseurländen sind ebenso wie die Restaurants und andere Geschäfte oft winzige, schwarze Höhlen, 1.80 hoch, 1.50-2m breit. Restaurants! Am grauslichsten sind die Fleischhauereien.

Wir fahren an Harisiddhi, einem "Newari-Dorf", vorerst vorbei. (Newari sind die Ureinwohner des Kathmandutales, kluge Händler, erfahrene Bauern, ausgezeichnete Künstler ). Der berühmte Tempel wird am Rückweg besichtigt, entscheidet der Chauffeur.
In Godavari müssen wir in den Botanischen Garten gehen. Zur Göttin des Waldes, Pulchowki Mai, kommen wir nicht. Der Fahrer fragte jemanden, der deutete bergaufwärts. Der Fahrer sagte, nicht nur zum Gipfel, auch zu diesem Heiligtum könne er mit seinem Auto nicht fahren, zu steil, der Weg zu schlecht. Wir wanderen also gemeinsam mit einigen nepalesischen Ausflüglern, einer Schulklasse und ein paar Touristen in dem ausgetrockneten und unansehnlichen Godavari-Botanischen Garten herum. Nach zirka einer Stunde entscheiden wir uns zu fragen, ob uns unser Fahrer noch nach Bhaktapur bringen würde. Ja, aber um den doppelten Preis. Denn 1000 Rupien sei der Preis für eine Rundfahrt in Kathmandu-City, Patan und Godavari seien inbegriffen, nicht Bhaktapur. Gut, also 1800 Rupien.
In Harisiddhi pausieren wir, finden die vierstöckige Pagode der Durga, für die es "bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Menschenopfer gegeben hat" (Baedecker). Besonders erwähnenswert ist die Uhr, eine alte westliche Pendeluhr, eingelassen in die Mauer des Tempels. Auf dem Platz davor waren Unmengen Aluminiumschüsseln aufgestapelt.
Am Durbar Platz in Kathmandu
Leute saßen herum, herzige Kinder, Männer, Frauen. Viele schauten neugierig, lachten, redeten uns an. Andere schauten nur ohne Regung. Die Leute haben oft Charm, leuchtende dunkle Augen. Sehr "lebendig", wie es so schön heißt. Schließlich kam uns der Fahrer nach: "In Bakthapur gibt es eine fünfstöckige Pagode, und die ist schön hergerichtet!"
Neben unserem Taxi zwei Büffelchen. Die Tiere sind ziemlich klein hier, die Büffel, die Kühe, die Geißen. Nur die Schweine sind riesig.
Tiere, die man hier sieht: Schweine. Im Müll Hunde, die meisten krank, diverse Rassen. Kühe, meistens schwarz, aber auch braune, die hellbraunen sind etwas größer. Büffel, Geier, Tauben. Kleine Schmetterlinge. Bienen in Godavari. Ameisen. Schlangen der Schlangenbeschwörer. Kleine Vögelchen in großer Zahl. Dohlen, Krähen. Und Affen natürlich. Aber die nur an ausgewählten Orten, in Swayambunath, am Bagmati bei einem Tempel.
Spinnereibetrieb
Was hergestellt wird: Ziegel, Fliesen, Steine im Steinbruch, Eisenwaren (wir sahen eine Eisenwarenfabrik am Bagmati)
Szenen, die man beobachten kann: Frauen, sitzend auf der Straße, auf einer Stiege, vor einem Tor, und ein Kind oder sich gegenseitig entlausend. Frauen mit herrlichen lange Haaren. Leute, die sich im Rinnstein hockend gründlich einseifen. Heute war scheinbar Waschtag. Überall hingen kleine und große Wäschestücke, aufgehängt sehr häufig unmittelbar neben verstaubten Straßen.

Von Harisiddhi ging es also nach nach Bhaktapur. Die Fahrt dauerte nur eine Stunde, und die ganze Stunde war die weiße Bergkette im Norden zu sehen. Beeindruckend. Das Grün der Felder leuchtete. Bhaktapur ist neben Kathmandu und Patan die dritte der drei Königsstädte im Kathmandutal. In meiner Kindheit nannte man es Bhadgaon.
Nayatapola Pagode in Bhaktapur
Der Hauptplatz ist nur gegen eine Eintrittsgebühr von 50 Rupien zu betreten. Das Zentrum ist auffallend sauber. Der Durbar-Platz. Der Tattatraya-Platz. Die fünfstöckige Pagode heißt Nayatapola-Pagode. Sie ist wirklich elegant und edel. Mit 30 Metern ist sie der höchste Tempel im Kathmandutal. Blauer Himmel. Weiße Wölkchen. Rote Ziegelsteine. Wunderschön geschnitzte Fenster, Türen.
Schnitzerei (Sonne und Mond)
Unser deutscher Ko-Gast erzählte am Abend, daß ihm wiederum jemand erzählt habe, und zwar ein Architekt, der das Projekt Bhaktapur betreut, daß Schnitzer aus Oberammergau hierher geholt worden seien, vor 20 Jahren, und daß diese den Newaris die Schnitzkunst wieder beigebracht hätten, die diese vergessen hätten.
Wir bummelten herum. Vor dem Goldenen Tor des Palastes wiederholte Hans eine Fotographie aus dem Jahr 1958.
Das goldene Tor des Königspalastes in Bhaktapur 1958
Nayatapola Pagode in Bhaktapur
Wir kehrten im Cafe Tattatraya ein, wo wir in einem pagodenartigen Gebäude an einem Tischchen saßen, Tee tranken, Früchtekuchen aßen und die Nayatapola-Pagode und das Treiben auf dem Platz beobachten konnten. Leider verlor ich dort meine Sonnenbrille. Da das Licht hell und stark ist, muß ich morgen eine neue erwerben. Wir kauften zwei Mädchen, die hübsch angezogen waren und Hans bedrängten zwei Stofftäschchen ab. Und außerdem kaufte ich mir um 80 Schilling einen so schönen warmen Schal, wie ihn hier viele Frauen über den Sari tragen. Die Frau, die ihn uns verkaufte, die selbst so einen Schal um die Schultern geworfen hatte, schaute aus dem Fenster über dem Geschäft heraus.
Mädchen, die Stofftäschchen verkaufen
Als wir Kunden nahten, eilte sie herunter und war gleich nachher wieder oben am Fensterchen in der Mitte des Hauses zu erblicken. Die Leute sind sehr hübsch hier. Mit Englisch kommt man überall durch. In Bhaktapur sprachen manche deutsche Worte, z.B. die Mädchen mit den Täschchen. Der Händler, bei dem ich Filme kaufte. Ich bat Hans zu schauen, ob der Film wohl für Dias geeignet sei. Der Verkäufer sagte sehr stolz." Sie sind noch nicht abgelaufen!" Und dann kamen drei Kinder, als wir auf dem Podest eines Tempels saßen und sagten "Fotos" und "Rupie". Hans fotographierte ein Kind und gab jedem 10 Rupien. Sie rasten davon.
Heimfahrt. Hans fotographierte die Berge. Der Fahrer zeigte uns die Abzweigung nach China, wobei ich glaubte, er spräche von einer Porzellan-Manufaktur! Eine Fahrt nach Kodari mit dem Taxi dauert 14 Stunden hin und zurück und kostet 8000 Rupien! Das ist zu teuer.
Bei der Rückfahrt kamen wir wieder am ausgetrockneten Bagmati vorbei, nahmen die Ring-Road von Süden, passierten Singha Durbar, "die größte Privatresidenz Asiens", erbaut 1903 für den damaligen Premierminister aus der Rana-Familie. Schließlich Kantipath, Thamel, das Everest Hotel. Und unser Hotel.
Wir fragten, ob wir bis 13. bleiben könnten und eventuell nach dem 5. März zwei Tage nach Nagarkot fahren könnten und nach Pokarah. Alles ok. Jetzt gehen wir schlafen!

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