Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 19. November 1940

Bild klickbar



Kommentar

Ich bin heute nach dem Büro gleich zu Hilde gefahren und war mit ihr und Herbert zuerst ein bißchen spazieren und dann noch weiter bei ihr bis 7 Uhr und bin dann zu meiner Mutter gegangen. Es war heute stockfinster, sodaß man Entgegenkommende gar nicht bemerkte und ich bin neben dem Friedhof heruntergegangen. Aber es war eine wunderschöne Sternennacht und sehr angenehm warm, die Sterne blinkten und funkelten, es war berauschend schön.
Hilde hat gestern mit R. sprechen können, er war gar nicht darauf gefaßt, daß sie es durchsetzen würde. Er weiß aber gar nichts und kann auch gar nichts von wegen morgen sagen, einen Anwalt hat man bereits für ihn bestimmt, aber der hat sich noch gar nicht blicken lassen. Hilde meint, es kann morgen, obwohl es bereits um ½ 9 Uhr früh beginnt, gut bis 6 Uhr nachmittags dauern. Ich habe mit ihr ausgemacht, daß sie mich jedenfalls verständigt, entweder noch im Büro oder dann abends zu Hause. Ich wage es absolut nicht, irgendwelche Prophezeiungen zu machen und habe aber eine gewisse kleine Angst, daß es doch nicht so rasch und glatt mit ihm geht. Er sagte gestem zur Hilde, daß ihr Optimismus ihn angesteckt habe, von sich aus weiß er auch gar nichts zu sagen. Ich habe sehr viel mit Herbert gespielt, er ist wirklich ein so herziges liebes und süßes Kind und ich bin schon glücklich, wenn ich ihn auf den Arm nehmen kann. Ich würde Robert so sehr wünschen, daß er jetzt endlich käme, um endlich dieses süße Kind genießen zu können.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen