Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara

Yoko H., 20, Hamamatsu, 6. August 1988

Mein Lebenstraum: Eine warme Familie

Yoko H.
Yoko H. arbeitet seit dem Abschluß der Oberschule 1986 in der Buchhaltung eines holzverarbeitenden Betriebes mit 100 Beschäftigten. Im Großraumbüro sitzen fünf Frauen und zwei Männer. Yoko ist 20 Jahre alt, ein rundliches fröhlich wirkendes Mädchen. Sie redet offen und frisch. Ihre tägliche Arbeitszeit dauert von acht bis fünf Uhr. Am Morgen kommt sie 15 Minuten früher, räumt auf, putzt Toiletten, wechselt Handtücher. Die Burschen machen diese Arbeiten ebenfalls. Yoko kocht auch Tee.
Mittags ißt sie zu Hause, denn mit dem Auto ist sie in drei Minuten daheim.
Ihre Familie besteht aus Mutter, Vater, einer älteren und einer jüngeren Schwester und dem jüngeren Bruder.
Der Vater hat einen eigenen Betrieb. Die zweite Frau des Vaters - Yoko nennt sie "die jetzige Mutter" - führt die Buchhaltung. Die jüngeren Geschwister stammen aus der zweiten Ehe.

Die Familie

Meine richtige Mutter hat sich vom Vater getrennt. Sie arbeitet in einer anderen Stadt. Sie ist zu ihrer Familie zurückgegangen, ist wieder verheiratet und hat einen Sohn.
Ich habe Kontakt mit ihr, aber sehr selten. Ich habe nämlich in meiner Firma viel zu tun. Wenn sehr viel Arbeit anfällt, muß ich sogar am Sonntag ins Büro gehen. Überstunden gibt es auch. Jetzt habe ich mich aber an die Berufstätigkeit gewöhnt, und es geht mir gut damit.
Meine ältere Schwester hat voriges Jahr geheiratet. Sie hat ein Kind. Ich bin schon Tante. Das Kind wird im September ein Jahr alt. Es war eine Liebesheirat. Meine Schwester führt mit ihrem Mann zusammen ein Trinklokal (nomi-ya). Bis zur Heirat hat sie bei uns gelebt.
Die Trennung der Eltern ist lange her. Ich bin schon irgendwie traurig deswegen, aber es ist passiert, als ich noch in den Kindergarten ging. Ich denke mir, es ist nicht zu ändern (lacht).
Wenn das während der Volksschule oder Mittelschule geschehen wäre, hätte es mich vielleicht aus der Bahn geworfen.
Ursache für die Trennung waren, glaube ich, die Eltern meines Vaters. Vater und Mutter fühlten sich unfrei, gehemmt.
Damals waren die Großeltern gesund (jetzt sind sie schon gestorben), und die Eltern lebten mit ihnen zusammen.
Als die Mutter weg war, war das arg für mich. Wenn ich am Morgen aufgewacht bin und die Mutter war nicht da...
Ursache war das ein Schwiegermutter-Schwiegertochterproblem. Das ist in Japan häufig.
Ich wohne in Hamakita, am Stadtrand. In einem Einfamilienhaus mit einem kleinen Garten. Ein Hund wohnt auch dort.
Ich stehe jeden Tag ein bißchen vor sieben Uhr auf. In 30 Minuten bin ich fertig zum Bürogehen. Wenn ich nach Hause kommen, esse und bade ich. Sonst tue ich zu Hause nicht viel.

Arbeit und Freizeit

Mein Grundgehalt ist 120 000 Yen. Ich bin damit zufrieden. Zuhause gebe ich 30 000 Yen ab. 30 000 sparen die Eltern für mich, weil ich selber nichts sparen würde. Den Rest verbrauche ich, zirka 50 000 Yen. Bis ich 25 bin möchte ich doch einiges sparen.
Das Auto habe ich abgezahlt. Ich habe es von meinem Geld gekauft. Ein neues Auto. Fast alle Kolleginnen haben ein Auto: sieben von den zehn jungen Frauen in der Firma.
Unzufrieden bin ich in mit den menschlichen Beziehungen in der Arbeit. Auf der einen Seite steht der Chef, und auf der anderen Seite sind wir, die jüngeren Mitarbeiter. Es gab Zerwürfnisse mit ihm, Mißverständnisse, das macht mir Probleme.
Der Kontakt mit den Kollegen ist gut. Wir treffen einander nach der Arbeit, beim Circle. Ich treffe mich aber auch noch mit den Freundinnen aus der Mittelschulzeit. In Kaffeehäusern gibt es jetzt oft eine Art Extrazimmer für solche Anlässe.
Ich muß nicht zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein. Ich bin frei. Nur wenn ich in der Früh sehr verschlafen bin, sagt der Vater: ,,Hast dich gestern wieder zuviel herumgetrieben!"
Allzulange bleibe ich sowieso nicht aus. Um elf, zwölf Uhr gehen wir alle schlafen.
Ich bin ein Mensch, der sich in der Freizeit hauptsächlich vergnügt. Bei Schönwetter spiele ich am Dienstag und am Donnerstag Tennis. Samstags treffe ich mich mit den Leuten vom Circle oder anderen Freunden. Das Meer ist in der Nähe, dorthin fahren wir mit dem Auto, Burschen und Mädchen, plaudern, schwimmen, tauchen. Samstag abends gehen wir aus und trinken etwas. Diskos gibt es viele. Aber in Diskos gehe ich fast nie. Da sind junge Leute dort, junge Kinder. Als ich in die Firma eintrat, ging ich auch in Diskos.
Jetzt bin ich ein Vergnügungsmensch (asobibito). In der Oberschule war ich ernsthaft (majime). Damals hatte ich kurze Haare - jetzt lange. Ich war in einem Chor, wir waren 40. Damals durften wir vom Chor aus nicht in Diskos gehen. Von der Schule aus. Wäre ich in einer Disko erwischt worden, hätte der ganzen Chor nicht auftreten dürfen. Wenn einer von 40 etwas Schlimmes tat, traf die Strafe alle. Die Schule finanzierte den Chor, also nahm sie sich diese Rechte.
Zwischen dem Leben in der Schule und dem jetzigen ist ein ziemlicher Unterschied. Ich war trotzdem gerne im Chor.
Es gab keine Schwierigkeiten wie jetzt mit meinem Vorgesetzten in der Firma. Ich war in einer Mädchenschule. Das war sehr gut, es gab keine Männer. Nur Mädchen mit verschiedenen Charakteren, mit denen mußte man auskommen. Aber es war schön.

Freunde

Männliche Freunde hatte ich fast überhaupt keine. Dann kam ich in meine jetzige Firma: 14, 15 Frauen, sonst alles Männer. Am Anfang hat mich das sehr erschreckt, es hat mich sehr nervös gemacht. Wie sollte ich mit denen reden? Ich habe vorher mit männlichen Lehrern gesprochen, außerdem höchstens mit dem Vater. Aber ich glaube, jetzt habe ich mich schon an die Männer gewöhnt.
Die Burschen reden mich oft an und machen sich lustig über mich, weil ich dick bin.
Ich habe keinen fixen Freund, leider.
Es ist aber auch lustig, sich mit Freunden und Freundinnen zu amüsieren. In meinem engeren Freundeskreis gibt es wenig Paare.
Normalerweise haben in meinem Alter viele Mädchen einen Freund (lacht).
Ich wäre für einen Freund gerade im richtigen Alter. In der Firma haben fast alle einen Freund.
Die Mädchen lernen ihre Freunde in der Arbeit kennen. Es kommt auch vor, daß einem ein junger Mann vorgestellt wird. In meinem Alter beginnen bereits Heiratsgespräche. ,,Willst du nicht ein o-miai versuchen?". fragen zum Beispiel Freunde meines Chefs.
In der Firma gibt es viele Männer. Etliche heiraten eine Kollegin. Auch meinetwegen gab es kürzlich so ein Gespräch. Ich bin jetzt 20 und der betreffende Mann ist 31! Auch wenn ich ihn erst mit 23, 24 heirate, ist der schon weit über 30! Der möchte wahrscheinlich gleich heiraten. Aber es gibt so viele Dinge, die ich noch machen möchte.
Mein Charakter ist - ich weiß das sehr gut - oberflächlich...
Ich möchte heiraten und im Grunde ist das Alter des Partners nicht so wichtig. Aber ich kann nicht kochen. Ich muß erst kochen lernen für meinen Ehemann (dannasan) und für die Familie. Jetzt habe ich mich gerade an die Berufstätigkeit gewöhnt.
Ja, ich möchte heiraten. Seit ich klein war - meine Eltern sind ja getrennt - habe ich von einer glücklichen Familie geträumt.
Meine richtige Mutter hat mit 17 geheiratet. In meinem Alter hatte sie schon zwei Kinder. Der Vater sagt, ich solle erst heiraten, wenn ich alles gemacht habe, was ich gerne tue. Zu viele offene Wünsche sind keine gute Voraussetzung für eine Ehe.
Ich träume davon, daß mein Ehemann, meine Kinder und ich eine warme Familie bilden. Ich möchte, daß wir viel zusammen sind. Es würde mich stören, wenn er in Spielhallen pachinko oder andere Automatenspiele spielte. Ich habe nicht zu viele Erwartungen. Hauptsächlich Zusammensein. Das ist mein größter Traum.
Ich war einmal ein bißchen verliebt (lacht). In einen Arbeitskollegen. Ich habe in der Freizeit allerhand mit ihm unternommen. Wir waren ein sozusagen ein Paar (kappuru). Ich treffe ihn noch. Ich glaube, es ist ein Glück, wenn man nach einer Trennung weiter miteinander verkehren kann. Das kommt in meinem Freundeskreis relativ häufig vor.
Mein Freund ist jetzt 21. Wir haben uns getrennt, weil... Es war schön, wenn wir beisammen waren. Wenn wir nicht beisammen waren, hatte ich große Sehnsucht. Ich wollte mehr mit ihm beisammen sein, er wollte sich lieber auch anderweitig amüsieren. Wir haben nicht gestritten. Er ist weiterhin ein guter Freund. Solange ich mit ihm beisammen war, habe ich ihn drei-, viermal in der Woche getroffen. Acht Monate lang. Jetzt treffe ich ihn gemeinsam mit anderen. Es ist kein Liebesverhältnis mehr (renai no kankei).
Wir haben uns in der Firma gesehen, aber ich war auch bei ihm und er bei mir. Ich kann Freunde nach Hause bringen. Ich habe ein eigenes Zimmer.

Sexualität

Empfängnisverhütung? ... Ich machte nichts... Es war keine sexuelle Freundschaft. So weit ging es nicht.
Sexualerziehung in der Schule gibt es nicht. Wir hatten so etwas wie Gesundheitserziehung in der Schule. Was wir da hörten, wußten wir alle schon. Die Eltern reden über dieses Thema kaum. Unter Freundinnen sprechen wir darüber. Junge Leute heutzutage haben auch sexuelle Kontakte. Aber ich möchte damit nicht spielen. Ich will nicht zuviele solche Beziehungen.
Ich habe eine Freundin, die hat schon ein Kind. Eine von 55 Mitschülerinnen. Sie hat geheiratet, weil sie ein Kind erwartet hat. Das kommt öfters vor. Auch bei meiner Schwester war das der Heiratsgrund.
Abtreibungen sind häufig.
Momentan beginnen viele Dinge zu eskalieren. Man hört in Japan jetzt allerhand. Durch Zeitschriften und Videos. Mädchen kriegen sogar schon in der Mittel- und Oberschule Bücher über sexuelle Dinge in die Hand. Sie wissen jetzt viel mehr.
Ich wußte in der Mittelschule gar nichts. Wenn ich nur neben einem Mann ging, hatte ich schon das Gefühl, das ist etwas Außergewöhnliches. Aber jetzt ist das nichts. Schon im Volksschulalter spielen Buben und Mädchen miteinander. Es ist furchtbar (sugoi).
Mein früherer Freund ist nicht mehr in der Firma.
Er ist weggegangen, weil er zu wenig bezahlt bekam. Er hat nämlich ein Abendstudium gemacht und nach dem Abschluß nicht mehr verdient als vorher. Er ist ein Mann und jung und will Geld verdienen.
Wenn ich jemanden gern hätte und ihn heiraten möchte, aber meine Eltern dagegen sind?... (Zögert). Wenn ich ihn gern hätte, würden die Eltern... an zweiter Stelle kommen... (lacht).
Bei meiner älteren Schwester waren die Eltern völlig gegen die Heirat, weil der Mann ein Trinklokal hat. Das gehört zur Unterhaltungsbranche (mizushôbai). Der Vater sagte: ,,Das kann nicht gut gehen!". Meine richtige Mutter hat nämlich in der Unterhaltungsbranche gearbeitet. Der Vater wollte nicht, daß meine Schwester einen Mann aus diesem Milieu heiratet. Sie hat ihn trotzdem geheiratet, wahrscheinlich, weil sie ihn lieb hat.
Die Eltern waren lang dagegen. Die Schwester hat vorigen September geheiratet. Bis zum heurigen Juni hatten sie keinerlei Kontakt miteinander. Die Verwandschaft hat gesagt, das geht nicht. So verkehren sie jetzt wieder miteinander.
Die Schwester war Kindergärtnerin. Ich glaube, der Vater war gegen diese Heirat, weil er sich für die Schwester einen familiären Menschen gewünscht hat. Eine Ursache für die Trennung von der Mutter war ihre Beziehung zur Unterhaltungsbranche.
Die Mutter arbeitet jetzt auch in der Unterhaltungsbranche, in einem Bad. Sie gibt dort Handtücher aus. Sie arbeitet Teilzeit, von neun bis 16 Uhr. Ich habe sie dort einmal besucht. Es gibt dort alles Mögliche: Dampfbad, Sauna, Schwimmbecken...
In der Zwischenzeit haben meine Eltern das Enkelkind sehr lieb. Es wäre gut, wenn ich jemanden fände, mit dem die Eltern einverstanden sind. Eigentlich haben sie immer gesagt, jeder ist ihnen als Heiratspartner recht - nur eben nicht einer aus der Unterhaltungsbranche. Diese Leute sind bis spät nachts in der Arbeit, das ist schlecht für die Gesundheit.
Wie das mit der wirklichen Mutter war, weiß ich nicht genau. Ich war damals sehr klein. Sie hatte selbst ein Lokal - nicht zusammen mit dem Vater. Ich habe nichts dabei gefunden. Aber ein Ehemann wünscht sich offensichtlich etwas anderes von seiner Frau. Bevor der Vater wieder geheiratet hat, dachte ich, von mir aus könnte er auch allein bleiben. Aber jetzt - die ältere Schwester ist verheiratet. Wenn die Mutter am Abend bei der Frauenvereinigung ist und nur die kleine Schwester und der kleine Bruder zu Hause sind, denke ich mir: "Es ist gut, jetzt wo er älter wird, daß er wieder geheiratet hat.
In der Frauenvereinigung gibt es für die Frauen aus der Nachbarschaft zwei-, dreimal im Monat ein karaoke-Treffen. Dabei singen die Leute zu einem Videoclip nur mit Orchestermusik - anstatt des Sängers oder der Sängerin. Einmal im Jahr machen sie gemeinsam eine Reise, und die Mutter kommt begeistert heim.
Manchmal geht der Vater mit der Mutter irgendwohin, etwas trinken, aber normalerweise trinkt er nur zu Hause. Er kommt heim, ißt, trinkt ein Bier, liest Zeitung und schaut in aller Ruhe fern. Oft arbeitet er bis spät in die Nacht. Das Geschäft ist im Haus.
Ich habe viele Freundinnen, die sich für meine Angelegenheiten interessieren. Es kommt kaum vor, daß ich mich allein zurückziehe.

Kommunikation

Mit den Eltern spreche ich fast überhaupt nicht über meine wirklichen Sorgen. Wenn ich zu Mutter oder Vater etwas sage, hören sie mir zu, aber sie verstehen nicht ganz, warum ich traurig bin. Ihnen das zu erklären, würde zuviel Zeit kosten. Doch es gibt die Freundinnen, die das interessiert und mit denen ich mich beraten kann.
Ich glaube, die Eltern reden überhaupt nicht sehr viel. Wenn ich nach Hause komme, gehe ich allein in mein Zimmer. Ich rede an sich viel, aber zu Hause rede ich fast nichts. Auch die Eltern sind ruhig und unterhalten sich kaum.
Gern singe ich zu karaoke-Musik, wenn wir trinken gehen. Ich singe sehr gern. Zuerst ziere ich mich, aber dann singe ich doch: new music, folk, enka (japanische Schlager).
Ich reise auch gern. Unlängst im Juli wollte ich mir vier Tage freinehmen und verreisen. Da kam eine Bestellung in der Firma und alle mußten dableiben und arbeiten. Ich war aber schon in Saipan, mit dem bonus-Geld.. Vorher war ich in Hokkaidô. Dort ist es teuer. Ich bin mit einer Freundin aus der Oberschule gefahren. Es war sehr lustig.

Wünsche

Ich habe verschiedene Wünsche. Viele sogar. Aber ich glaube, daß ich selbst etwas tun kann, daß sie in Erfüllung gehen, und deshalb bin ich zufrieden.
Konkret gesagt möchte ich reisen, mich amüsieren, heiraten und vorher Geld verdienen, damit ich mir etwas für die Hochzeit ersparen kann. Ich denke mir, es reicht, wenn ich der Erfüllung meiner Träume Schritt für Schritt näherkomme.
Wenn ich heirate, soll die Familie das Wichtigste sein. Deshalb werde ich wahrscheinlich die Arbeit in meiner jetzigen Firma aufgeben und Teilzeit arbeiten, in der Früh spät von zu Hause weggehen und am Abend früh heimkommen. Ich möchte nicht mein Leben leben, um zu arbeiten. Sobald ich heirate, nicht erst, wenn ich Kinder kriege, werde ich bei der jetzigen Firma aufhören. Von meinen Kolleginnen ist nur eine verheiratet. Die arbeitet weiter, aber eine ältere hat mit der Heirat aufgehört.
Heutzutage ist es üblich, daß Frauen arbeiten. Man sieht es gern, wenn eine Frau auch mit einem Kind weiterarbeitet.
Aber dann ist es einfach unmöglich, von acht bis fünf Uhr zu arbeiten und Überstunden zu machen. Jetzt arbeite ich täglich zirka zehn Stunden. In der Zukunft sollen es zwar nur acht sein. Aber der Mann müßte doch, wenn er heimkommt, gemeinsam mit mir das Essen machen. Im Kopf kann ich mir das vielleicht vorstellen und möglicherweise gibt es das auch in der Realität, aber meistens ist die Situation anders: Wenn der Mann heimkommt, ist das Bad heiß und das Essen fertig. Bei mir zu Hause ist das so. Und ich habe das Gefühl, wenn ich heirate, soll das auch so sein.
Jetzt gibt es in Japan oft die Einstellung, Wäschewaschen und Aufräumen etc. sollte das Ehepaar gemeinsam machen. Vielleicht hilft mir mein Mann, wenn Kinder da sind und viel zu tun ist, aber bis auf weiteres ist Wäschewaschen und Aufräumen in meinen Augen Frauenarbeit. Der Mann in der Schürze... in der Küche (lacht)!
Die Kindererziehung möchte ich gemeinsam mit dem Mann machen. Aber in der Realität ist oft für die Kinder wenig Zeit und das Kind sieht fern.
Mein Vater macht nur Hausarbeit, wenn die Mutter nicht da ist. Die Mutter ist aus Kagoshima in Kyûshû und fährt manchmal heim. Dann erledigt er die Wäsche oder sagt mir, ich solle aufräumen und kochen. Zu Neujahr macht der Vater o-zôni-mochi. Das ist vielleicht eine Spezialität unserer Familie. Es ist das einzige Mal im Jahr, daß er etwas kocht. Wir loben ihn dann...
Sonst kocht er nie. Manchmal gibt er die Betten in den Wandschrank. Als Hilfe kann man das nicht bezeichnen. Die Mutter macht das noch einmal.
Eigentlich arbeite ich zu Hause auch nicht mehr als der Vater.
Mein Lebenstraum ist eine warme Familie. Ich treffe jetzt Burschen, die mir gefallen oder mit denen ich mich gut unterhalte; mit Heiraten hat das nichts zu tun. Zusammen leben, das ist etwas anderes.
Mein Familienleben zu Hause ist allmählich besser geworden. Meine richtige Mutter hat Kinder bekommen, als sie so alt war, wie ich jetzt bin. Zwischen mir und meinem Bruder sind zwölf Jahre Altersunterschied. Zur jetzigen Mutter besteht derselbe Altersunterschied. Die Mutter kam ins Haus, als ich in die dritte Klasse Volksschule ging. Damals war ich so alt, wie jetzt mein Bruder. Ich habe mich oft unverstanden gefühlt. Wahrscheinlich würde ich mich auch nicht anders verhalten, wenn ich jetzt in eine neue Familie käme. Die Mutter hat sich sicher immer bemüht. Jetzt, wo die jüngeren Geschwister größer sind und die Mutter älter wird, hat sie mehr Verständnis.
Trotzdem sagt meine jetzige Mutter, sie würde nie mehr in eine Familie mit Kindern einheiraten.

Die Schwiegermutter

Wenn die Schwiegereltern noch jung sind, gibt es oft Probleme. Wie zwischen meiner richtigen Mutter und ihrer Schwiegermutter. So freundliche Gesichter die Braut und die Schwiegermutter vorher auch machen, wenn die Frau wirklich einheiratet, tauchen die verschiedensten Probleme auf. Die Schwiegermutter hat das Gefühl, der eigene Sohn wird ihr genommen. Der Kontakt wird aus den verschiedensten Gründen kühler. Anscheinend ist es besser, wenn das Paar zuerst zu zweit zusammenlebt.
Mein Chef hat vier Töchter. Seine Frau ist gestorben. Er sagt: ,,Es ist richtig, daß eine Frau den Mann heiratet, aber es gehört dazu, daß sie mit den Eltern auskommt". Wir müssen uns natürlich mit dem Mann gut vertragen, sagt der Chef. Aber unser Glück hängt davon ab, wie wichtig wir die Mutter des Ehemannes nehmen. Sonst schaut es nur von außen wie Glück aus.
Ich würde versuchen, mit den Schwiegereltern zusammenzuleben.
Ja... ich würde es versuchen.
Aber lieber würde ich zu zweit leben. Solange die Eltern gesund sind, könnten mein Mann und ich ein Haus in ihrer Nähe haben. Beim Zusammenleben gibt es viele winzige Probleme, schon beim Essen: Welche Gewürze? Soll ich schon Tee eingießen?
Wenn die Eltern krank sind, müssen sich die Kinder um sie kümmern, obwohl das auch schwierig ist.
Es könnte sein, daß ich wegen dieser Frage einen möglichen Partner abschlage. Wenn er der einzige Sohn wäre. Meine Eltern machen sich diesbezüglich auch Gedanken. Es würde schwierig sein, wenn wir nicht unser eigenes Leben führen könnten.

Der zukünftige Heiratspartner


Wenn ich an einen Heiratspartner denke, ist am wichtigsten das Gefühl. Das Gesicht ist unwichtig. Das ändert sich sowieso, wenn er älter wird. Wichtig ist auch, daß wir miteinander reden können. Ich wünsche mir einen menschlichen Menschen. Daß er ähnlich fühlt wie ich. Naja, die Größe, ein Auto, genug Geld, es gibt alle möglichen Bedingungen. Aber bei einer Heirat zählt das nicht soviel. Ich weiß, daß es für viele Mädchen eine wichtige Rolle zu spielen scheint, wie groß ihr zukünftiger Mann ist... (Sie lacht).
Aber ich bin auch dick! Bei mir in der Firma hat ein Mann gesagt: ,,Mit Ihrer Figur werden Sie keine gute Partie machen!" Ich habe darauf geantwortet: ,,Es gibt doch Männer, die Dicke gern haben!"

Am 10.1. 1991 schreibt Yoko H.:
Mir geht es gut. Ich bin jetzt Assistentin bei einem Zahnarzt. Ich bin im Juli 1989 von meiner früheren Firma weggegangen. Der Inhalt der Arbeit hat nicht zu mir gepaßt, und außerdem war es jeden Tag dasselbe, und ich wollte mein Leben in Richtung mehr Freiheit verändern. Fremde schätzen mich als Menschen ein, der kein Verantwortungsgefühl hat und dem schnell etwas fad wird. Die Männer wiederum behaupten, daß ich in der Arbeit kein besonderes Verantwortungsgefühl habe, weil ich eine Frau bin (onna da kara). So wurde allerhand über mich geredet. Aber ich weiß nicht, wie weit diese Leute über mein Verantwortungsgefühl und überhaupt über mich Bescheid wissen. Auf jeden Fall dachte ich drei Jahre nach meinem Firmeneintritt, es ist Zeit, einen Punkt zu setzen, und ich verließ die Firma. Ich habe die Firma zwar wirklich freiwillig verlassen, aber es tat mir doch in der Seele sehr weh. Früher hatte ich mir nie überlegt, was ich am nächsten Tag machen werde. Nun dachte ich Tag für Tag: ,,Ist das wirklich der Weg, den ich selbst gewählt habe? Was ist die wirkliche Freiheit?" Nicht arbeiten zu können, wenn man arbeiten will, ist wohl überall auf der Welt ein Kummer.
Ich beschloß, zirka ein halbes Jahr meine Familie verlassen, um mich selbst ein bißchen zu finden. Über Vermittlung eines Freundes ging ich nach Kyôsato in der Präfektur Yamagata, und dort in der großen Natur merkte ich, wie kindisch und schwach ich bin. Ich habe dort pro Tag nicht einmal 3000 Yen verdient, aber ich glaube, ich habe etwas gewonnen, das man mit Geld nicht tauschen kann. Wenn Sie das nächste Mal nach Japan kommen, möchte ich Ihnen unbedingt Kyôsato zeigen. Während ich dort war, gab es in Hamamatsu jemanden, der sich um mich große Sorgen machte und mich aufforderte, endlich wieder zurückzukommen. Obwohl ich nicht das Gefühl hatte, mein Ziel ganz erreicht zu haben, schien mir doch, daß der Aufenthalt schon einige Früchte getragen hatte und ich ging nach Hamamatsu zurück. Über Vermittlung dieses Menschen begann ich bei dem Zahnarzt zu arbeiten, bei dem ich jetzt bin.
Das zur Arbeit.
Es gibt einen Menschen, N., mit dem ich befreundet bin. Er ist 27 Jahre alt. Kennengelernt habe ich ihn, als ich bei der früheren Firma arbeitete, im Circle. Dort trafen einander Leute meiner Firma und ihre Freunde und Bekannten. Er war einer von diesen. Ich bin jetzt 23, und kenne ihn seit vier Jahren. Als ich ihn kennenlernte, hatte ich einen Freund und er war der Freund einer Freundin. Es war eine rein freundschaftliche Beziehung. Mein damaliger Freund war derjenige, von dem ich Ihnen beim Interview erzählt habe. Grund für die Trennung von ihm war, daß er sich mit einer Freundin von mir einließ. Wir hatten bereits eine sexuelle Beziehung gehabt, sodaß ich ihm das nicht verzeihen konnte. Als ich meine Arbeit verlor, war er für mich eine Zeit eine seelische Stütze und ich habe mich auch weiterhin auf ihn verlassen. Es hat mir wahrscheinlich gut getan, daß er so liebevoll mit mir umgeht. Obwohl ich wußte, daß er mit meiner Freundin verkehrte, habe ich ihm jedesmal, wenn ich ihn traf, verziehen. Wenn ich schwieg, wußte es ja niemand. Diese Beziehung nur in der Nacht dauerte nicht allzu lange. Ich glaube, daß ich nach Kyôsato ging, hatte auch damit zu tun, daß ich einen Schlußstrich unter diese Beziehung setzen wollte. Ich traf ihn bis zum Tag, bevor ich abfuhr. Ich hatte diesen Menschen wirklich sehr lieb. Gegenüber der Freundin hat mich die Tatsache, daß er und ich eine sexuelle Beziehung hatten, ein wenig in Verlegenheit gebracht, aber die Schadenfreude hat mir das wieder erleichtert. Bei ihm wollte ich jedoch auf keinen Fall ein bedrücktes Gesicht sehen. Ich habe mir die ganze Zeit gedacht: "Ich kann nicht immer so abhängig von ihm bleiben." Tatsache war, daß ich damals nicht anders konnte...
Ich glaube, ich habe mich bemüht, ihn zu vergessen, bis ich N. traf. Mir war zwar selbst der Freund, der mir so wichtig war, von der Freundin ausgespannt worden, ich wollte jedoch nicht umgekehrt das Gleiche machen.
Nachdem ich den Circle verlassen hatte, hatte ich deshalb mit N. nicht mehr Kontakt als zweimal im Jahr - zu Neujahr und im Sommer - eine Postkarte. Postkarten, auf denen er schrieb: "Ich möchte dich gerne wieder treffen!" Und ich schrieb: "Danke, daß du noch an mich denkst". Er antwortete: "Wie lebst du jetzt, schreibe mir doch wenigstens, ob es dir gut geht". Daß N. ein sehr warmherziger Mensch ist, hat sich während dieser Zeit irgendwo in meinem Herz eingenistet. Auf diese Art gingen zweieinhalb Jahre dahin, bis mich N. anrief und mir sagte, daß seine frühere Freundin geheiratet hätte und daß es für ihn wenig Menschen gebe, die er so begehrenswert fände wie mich. Ich bedeute ihm sehr viel. Weil mein fest verschlossenes Herz erst langsam beginnt, sich ihm zuzuwenden, haben wir noch keine sexuelle Beziehung. Aber ich habe mich entschieden, von jetzt an mit ihm, mit N., weiterzugehen.
Yoko H.

Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara Email: ruth.linhart(a)chello.at