Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara

P.S. BRIEFE 1991

Sieg der Sanyô-Teilzeit-Arbeiterinnen

Sanyo Arbeiterinnen
Einer der größten Elektrokonzerne Mitteljapans, die Sanyô-Elektrogeräte-Gesellschaft, sprach am 20. März 1987 an ihrem Hauptsitz in Ôsaka die Entlassung von 1200 Teilzeit-Arbeiterinnen aus, da Teile der Produktion in Niedriglohn-Länder der dritten Welt verlagert wurden. Die Teilzeit - Arbeiterinnen, die "Vertragsarbeiter" (teikinshain) genannt werden, arbeiteten eine Stunde weniger als die fix Angestellten (seishain). Der Arbeitsinhalt war derselbe. Die Frauen hatten bereits viele Jahre bei Sanyô gearbeitet. Da die Firmengewerkschaft sich als nicht zuständig für die Teilzeit-Arbeiterinnen sah, gründeten einige Frauen die "Gewerkschaft der
Sanyo-Elektrizität-Vertrags-Teilzeitarbeiter"
(Sanyô denki-teikin-shain-paato-rôdôkumiai) und gingen gegen die Entlassungen zu Gericht.
Am 20. Februar 1990 gewannen die 15 Sanyô-Frauen, die durchgehalten hatten, den Prozeß beim Bezirksgericht von Ôsaka. Das Gericht ordnete "eine Interimslösung zur Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze" an.
Das bedeutete
  1. die Unwirksamkeit der Entlassungen,
  2. die Anerkennung des Status als Angestellte (jûgyôin),
  3. die Nachzahlung des Lohnes,
  4. die Behandlung als reguläre Arbeitnehmer in bezug auf soziale Rechte.
Die Firma legte gegen das Urteil Berufung ein, zahlte zwar die Löhne, verwehrte den 15 Frauen jedoch die Arbeit in der Firma.

Katsuko Terasawa, Rechtanwältin der Sanyô-Teilzeit-Arbeiterinnen, schreibt am 17. Jänner 1991:
Am 20. Februar 1990 haben die Teilzeit-Arbeiterinnen den Prozeß beim Regionalgericht von Ôsaka gewonnen. Die Firma Sanyô-Elektrogeräte hat Einspruch erhoben...
Die Besonderheiten dieses Falles waren:
Es handelte sich
  1. um Arbeitsverhältnisse, die jeweils mit einem Jahr begrenzt waren, und die Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses fiel mit dem Ablauf der Anstellungszeit und dem Zeitpunkt, an dem die Anstellungsfrist erneuert werden sollte, zusammen;
  2. die Entlassung von Teilzeit-Arbeitnehmerinnen und
  3. um eine "Sanierungs-Entlassung".
Obwohl diese drei Faktoren zusammenkamen, entschied das Gericht zugunsten der Klägerinnen. Bisher hatten sich die meisten Teilzeit-Arbeiterinnen mit ihren Arbeitsbedingungen abgefunden, auch wenn ihr Vertrag nach Ablauf der Zeitbegrenzung nicht erneuert wurde, weil sie eben "nur" Teilzeit arbeiteten.
Aber 15 Teilzeit-Arbeiterinnen der Firma Sanyô-Elektrogeräte, die mit der Begründung, daß sie Teilzeit-Arbeiterinnen seien und ihr Arbeitsverhältnis begrenzt sei, entlassen werden sollten, obwohl sie wie reguläre Arbeiterinnen (seishain) gearbeitet hatten, wollten sich dem nicht fügen, gingen zu Gericht und gewannen am 20. Februar 1990 den Prozeß gegen den großen Gegner Sanyô-Elektrogeräte.
Über die rechtliche Seite hinaus scheint mir von großer Bedeutung, daß hier Frauen, die bisher in keiner Gewerkschaft waren und die keiner Bewegung angehörten, eine Gewerkschaft gründeten und sich bei Gericht gegen eine große Firma siegreich durchsetzen konnten.
Keine von ihnen war vorher jemals in einem Gericht gewesen. Sie erzählten, daß ihnen die Beine zitterten, als sie das Gericht zum ersten Mal betraten. Trotzdem traten sie danach von Juli bis Dezember jeden Tag mit berühmten Namen an das Gericht heran, es solle eine gerechte Entscheidung fällen.
Bedeutsam an diesem Fall ist auch, daß Frauen erfolgreich anfangen, ihre eigenen Rechte zu verteidigen und anzuwenden.
Und außerdem ist von Bedeutung, daß den rund acht Millionen japanischen Teilzeit-Arbeiterinnen das Zutrauen gegeben wurde: "Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen (akiramenakute mo ii), nur deswegen, weil wir Teilzeit-Arbeiterinnen sind!"
Die Firma hat berufen, aber sie muß dem Urteil entsprechend monatlich die Löhne auszahlen, und die Frauen setzen die Aktivitäten gegenüber der Firma in Richtung Rückkehr auf den Arbeitsplatz fort: "Laßt uns schnell an unseren Arbeitsplatz zurückkehren und arbeiten, wie es das Gerichtsurteil verlangt!"

Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara Email: ruth.linhart(a)chello.at