Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE ZNAIM

Znaim, 2. Februar 1940

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Kommentar

Liebster Spatz!

Gestern hast Du von mir nur eine Karte bekommen, auf welcher ich Dir meine gute Ankunft in Znaim meldete. Wir sind hier in der Albrechtskaserne einquartiert und bereits eingekleidet. Na, Du würdest schauen, wenn Du mich in der Übungsuniform sehen würdest. Nicht zum Erkennen (Stiefel, Hose, Bluse, Mantel und Feldmütze). Auch so haben wir noch allerhand gefaßt. Warme Socken, Fingerhandschuhe, Unterhose, Hemden, Pullover, Ohrenschützer, Halstuch, Stiefeltücher, Überschwung, Eßschale, Eßbesteck, Patronentaschen. Die Kleider sind zum Großteil alt und sollen nur für die Abrichtung sein. Gepaßt hat mir natürlich fast nichts und ich sehe aus! Nicht zum Anschauen! Mit den Stiefeln hab ich das größte Gfrett, da dieselben über dem Rist nicht passen. Ich kann daher schwer hinein und noch schwerer heraus.
Die Menschen, welche mit unserer Ausbildung betraut sind, sind durchwegs nette Leute und zum größten Teil Wiener, welche schon den Polenfeldzug mitgemacht haben. Hoffentlich bleiben sie es auch. Heute vormittag haben wir den "Bau unserer Betten" gelernt und das Einrichten unserer "Spinde". Jeder Mann hat nämlich einen für sich allein. Mittags hatten wir Sauerkraut mit Schweinefleisch. Es war ganz gut, aber nicht sehr viel. Nachmittags faßten wir dann unsere Uniformen. Da dieselben alt sind und an meiner gleich 3 Knöpfe fehlen, kannst Du Dir vorstellen, wie mir ist. Abends hatten wir nur ein Stück Wurst und schwarzen Kaffee. Also wieder sehr wenig. Wenn man da nichts zum Zusetzen hat, ein bißchen bitter. In der Kaserne befindet sich wohl eine Kantine, aber es gibt dort nicht viel Eßbares.
Jetzt abends sitze ich in der Stube und schreibe Dir. Der diensthabende Gefreite ermahnt uns schon, denn es ist gleich 21 Uhr und da müssen wir schlafen gehen. Wecken ist um 6 Uhr und dann geht der ganze Zauber weiter. Ausgang gibt es wahrscheinlich nicht vor 14 Tagen. Schreiben können wir wann wir wollen und was wir wollen. Die Post nimmt dann immer ein Soldat, der schon länger dient, mit und gibt sie auf.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen