Ruth Linhart | Japanologie


Japanische Frauen und der Fünfzehnjährige Krieg1


Während ab der Meiji-Zeit japanische Männer von klein auf zum Dienst als Soldat für den Tennô erzogen wurden2, hieß das Ziel der weiblichen Bildung „ryôsai kenbô“ – die gute Ehefrau und weise Mutter.  Diesem Ideal sollte auch der Einsatz der japanischen Frauen im Fünfzehnjährigen Krieg von 1931 bis 1945 entsprechen.3

Die Frauen in den weißen Schürzen

Definiert man den Kriegsbeginn mit dem Mandschurischen Zwischenfall von 1931, so stammen alle Kinderfotos Imai Yasukos, aus der Kriegszeit. Imai Yasuko steht im Mittelpunkt einer Recherche über ihr Leben und ihre Umwelt, und der folgende Artikel ist in diesem Zusammenhang entstanden. Yasukos Mutter Yae, damals eine verheiratete junge Frau, ist auf den Kinderfotos fast immer im Kimono zu sehen, nur einmal ist sie westlich gekleidet. Aber niemals trägt sie die „Kriegsuniform“ der japanischen Hausfrau, den weißen Kleiderschurz kappôgi oder die Arbeitshose monpe. Weder aus den Erzählungen Yasukos noch aus denen ihrer Schwester Yumiko geht hervor, ob ihre Mutter an den Aktivitäten teilgenommen hat, die im großjapanischen Reich den Frauen zugeordnet wurden.

Im Jahr nach dem Ausbruch des Kämpfe in der Mandschurei wurde im Oktober 1932 die Dai-Nippon Kokubô Fujinkai, die Großjapanische Frauenvereinigung für Nationale Verteidigung, gegründet. Anfang 1942, nach dem Beginn des Pazifischen Krieges, schloss man dann alle japanischen Frauengruppen zur Dai Nippon Fujinkai, der Großjapanischen Frauenvereinigung, zusammen. Dieser Großjapanischen Frauenvereinigung wurden nicht nur die bereits existierenden und miteinander rivalisierenden patriotischen Frauenvereinigungen einverleibt, sondern sie schluckte auch die emanzipatorischen Fraueninitiativen aus den Vorkriegsjahren wie jene für Frauenwahlrecht, Konsumentenrechte und Geburtenkontrolle.4 Alle ledigen Frauen über 20 und alle verheirateten Frauen mussten der neuen Massenorganisation beitreten.5 Die Vereinigung hatte 1943 an die 20 Millionen Mitglieder,6 und war nach der Definition ihrer Leitung „eine große Armee, gebildet, um einen Totalen Krieg zu kämpfen, eine Armee in der Gestalt der Frauen von Großjapan.“ 7

In einem Staat, der sich in männlichen Begriffen definiert, gibt es zwei Möglichkeiten, das Dilemma der totalen Mobilisierung und der Bestimmung von nach Geschlechtern differenzierten Bereichen zu lösen: einerseits in Form der Integration von Frauen, anderseits in Form der Absonderung von Frauen (segregation). Das stellt Ueno Chizuko, eine sehr bekannte japanische Feministin und Sozialwissenschaftlerin, in ihrem Buch „Nationalisierung und Geschlecht“ fest. Sie hebt hervor, dass Frauen jedoch in beiden Modellen eine Rolle als „Bürger zweiter Klasse“ zugewiesen bekämen. Einerseits war politische Betätigung damals für Frauen verboten. Nach Meinung Uenos hieße Integration für die Zeit des 15-jährigen Krieges aber noch mehr als die Freigabe politischer Aktivitäten, sondern auch die Einbeziehung von Frauen als Soldaten. Japan aber habe sich für das „Absonderungsmodell“ entschieden.8 Was bedeutet, dass sich die „Armee in Gestalt der Frauen von Großjapan“ im Rahmen der traditionellen Aufgabenbereiche der Frauen und in dienenden Funktionen gegenüber den Männern zu bewegen hatte.

Die Frauen trugen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den weißen Kleiderschurz „kappôgi“. Er wurde sozusagen zur Uniform der Großjapanischen Frauenvereinigung für Nationale Verteidigung. In den letzten Kriegsjahren jedoch, nach der Verschmelzung aller Frauenorganisationen zur Großjapanischen Frauenvereinigung, als die Kriegszeiten immer härter wurden und Baumwollstoffe immer seltener zu haben waren, ersetzte die Arbeitshose monpe Kimono und Kleiderschurz.9

Ein "kappôgi“ gleicht dem Arbeitsmantel eines Arztes, denn er bedeckt den gesamten Kimono und auch dessen Ärmel, aber man bindet ihn am Rücken über dem Obi zusammen. Wie Katarzyna Cwiertka in einem Referat bei der 11. EAJS-Konferenz 2004 in Wien sagte, verbreitete sich dieses Kleidungsstück seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Haushaltsunterricht für Mädchen und unter fortschrittlichen Hausfrauen der Mittelschicht, ab 1932 wurde er zu einer Art Uniform bei ihren nationalen Aufgaben. Er sollte, interpretierte Cwiertka „ihren niedrigen Status unterstreichen.“10

Auf Fotografien aus den 1930igern und 1940igern sieht man die Frauen mit den weißen Kleiderschürzen, wie sie den scheidenden Soldaten Tee oder während Luftschutzübungen Nahrungsmittel servieren. Die Schürzen wurden auf diese Weise zu Kleidungsstücken, die Frauen nicht nur daheim in der Küche tragen konnten, sondern auch außerhalb des Hauses. Nach Mackie dienten sie dazu, die Klassenunterschiede zwischen den Frauen zu verdecken, da sie die Kleidung darunter versteckten. Außerdem nahmen die Frauen auf diese Weise symbolisch ihren Arbeitsbereich, die Küche, mit nach draußen und milderten dadurch die Befremdung, die Frauen bei Tätigkeiten im öffentlichen Raum hervorriefen.11 So hieß ein Slogan der Großjapanischen Frauenvereinigung für Nationale Verteidigung: „Kokubô wa daidokoro kara!“ – „Landesverteidigung von der Küche aus!“12

“Kappôgi” und in den späteren Kriegsjahren die Arbeitshosen “monpe” dienten auch der Vorbildwirkung, denn sie unterstrichen das Bemühen, keinerlei Luxus zur Schau zu tragen. Das wurde in den Kriegsjahren zunehmend die von der Regierung vorgegebene Leitlinie für die japanische Bevölkerung.


Unterstützung der Soldaten

Eine sehr wichtige Aufgabe der in Kleiderschürzen gehüllten „Armee in Gestalt der Frauen von Großjapan“ war die Unterstützung der Soldaten. Das fing mit einem Beitrag zum „senninbari“, dem „Tausendstiche-Gürtel“ für die scheidenden Soldaten und ihrer Verabschiedung auf öffentlichen Plätzen an. Die „senninbari“ waren Leibbinden für die Soldaten, in die Frauen – der wörtlichen Übersetzung nach 1000 - je einen Stich mit einem roten Faden nähten. Man glaubte, dass diese Schärpen ein Schutz vor Feindeskugeln seien. Ein gerne dargestelltes Objekt war der Tiger, denn es gibt ein Sprichwort: “Selbst wenn der Tiger 1000 Meilen läuft, kehrt er 1000 Meilen wieder zurück“.13 Die Frauenvereinigungen organisierten auch oft die von Yasuko in den Interviews erwähnten „imonbukuro“, „Trostpakete“, für die Soldaten an der Front. Diese Trostpakete enthielten Briefe, Fotos und Amulette sowie diverse Dinge des täglichen Gebrauchs wie Lebensmittel, Medikamente, Zigaretten und Rasierklingen.14 Schließlich gehörte zur Unterstützung der Soldaten im weitesten Sinne auch der Trost für die Verwandten von Gefallenen.


Sparsames Haushalten

Ein wesentlicher anderer Aufgabenbereich war die Handhabung des Alltags unter der zunehmend enger gezogenen Schraube der Rationierung für Lebensmittel, Kleidung und andere nötige Dinge des täglichen Lebens. So wurden ab 1. April 1940 in Tokyo und weiteren großen Städten Reis rationiert, Soyasauce ab Februar 1942 und bald darauf auch Fisch, Eier, Tofu und alle wichtigeren Nahrungsmittel. Gleichzeitig mit der zunehmenden Knappheit an Nahrungsmitteln wuchs der Schwarzmarkt.15 In dieser Situation erhielten die organisierten Frauen Anweisungen, wie sie ihre Familien sparsam und einfallsreich ernähren konnten. Maßstäbe bezüglich des wünschenswerten Körpergewichtes und des Kalorienverbrauches für Männer und Frauen wurden erstellt.16

Ein Beispiel, wie der Spargedanke im Dienste des Krieges für den Tennô propagiert wurde, ist das sogenannte „Hinomaru bentô“, das „Hinomaru-Jausenpaket“. „Hinomaru“ ist die japanische Fahne, weiß, mit einem roten Kreis in der Mitte, der die aufgehende Sonne darstellt. Das Symbol der aufgehenden Sonne steht für Japan und das Kaiserhaus, und war während des 15jährigen Krieges mit nationalistischer Symbolik getränkt. Das „hinomaru-bentô“ bestand aus einer Schachtel mit weißem Reis, in dessen Mitte als einzige „Zuspeise“ eine rote eingelegte Pflaume (umeboshi) prangte. Ein Zeitzeuge erinnert sich, dass seine Schulklasse immer am 8. Dezember – dem Tag, an dem der Krieg mit Amerika begonnen hatte – mit dem Hinomaru-bentô zum Schrein pilgerte und dort für die Soldaten betete, die bei eben solcher schmaler Kost an der Front ausharrten.17

Zur Implementierung des Spargedankens führten die Frauen auch Spar-Kampagnen und die Sammlung von Altstoffen und Abfall durch, die wiederverwertet werden konnten.

Der Hilfseinsatz bei Luftschutzübungen und nach Bombenangriffen war ebenfalls eine wichtige Aufgabe der patriotischen Frauengruppierungen. Ein Beispiel ist das „baketsu rire“, von dem auch Yasuko erzählte.18 Das Wort „rire“ kommt vom englischen Wort „relay“, „baketsu“ vom englischen Wort für “Kübel“. Solche Einsätze mit Eimerketten gehörten zu den Luftschutzübungen, mit denen sich die Zivilbevölkerung in ganz Japan auf Bombenangriffe und die nachfolgende Gefahr von Bränden vorbereitete.


Sexuelle Doppelmoral

Eine weitere, nicht so offensichtliche Aufgabe der Frauenorganisationen in der nach Geschlecht getrennten Arbeitswelt der Kriegszeit war aber auch die Bewahrung der Keuschheit, Reinheit und Treue der Frauen, wurden doch die militärischen Aktivitäten der Männer damit gerechtfertigt, dass sie ihre treuen Frauen an der Heimatfront beschützten.19

Auch Ueno Chizuko erwähnt diese Aufgabe. Obwohl nicht öffentlich diskutiert, war, so schreibt sie, ein Aspekt der Verteidigung an der Heimatfront die Kontrolle der Sittsamkeit der Ehefrauen. Die Frauenorganisationen hatten die “Gebärsoldatinnen” zu unterstützen und sich um die Familien der verwundeten oder getöteten Soldaten ebenso zu kümmern wie um ihre eigenen Mütter oder Schwestern. Ein Teil ihrer Pflichten sei es gewesen, die Sittlichkeit der japanischen Frauen, „die weltweit hinter niemanden zurücksteht“, zu bewahren und beschützende Anleitung zu geben, um Probleme wegen eines liderlichen Betragens zu vermeiden. Die „Heiligkeit“ der japanischen Frauen als Ehefrauen und Mütter musste mit jeder Methode, die verfügbar war, erhalten werden. Ueno verweist auf den doppelten sexuellen Standard , der damals herrschte. Auf der anderen Seite standen nämlich die militärischen Zwangsprostituierten, die die Bürde der „whorishness“ (Hurenhaftigkeit) tragen mussten.20

Ein weitere Strategie in der Geschlechterpolitik während des Krieges äußerte sich im Slogan „umeyo fuyaseyo“ – Gebären wir, vermehren wir uns!“.21 Die offizielle Politik forderte von den Japanerinnen, dass sie mehr Kinder gebären sollten, denn man brauchte ja Soldaten. Auch Yasuko bekam in diesen Jahren noch zwei Geschwister – 1939 Kaneko, 1940 Kôtarô. Ob und inwieweit die offizielle Politik den Wunsch von Yasukos Eltern nach weiteren Kindern nach einer sechsjährigen Schwangerschaftspause beeinflusst hat, bleibt aber offen.

Wieder zeigte sich die offizielle Doppelmoral in der völlig konträren Vorgangsweise im System der Zwangsprostitution, auf das ich später noch ausführlicher zurückkommen werde. Vorerst nur soviel, dass dort Kondome verteilt wurden, und dass die Säuglinge, wenn es zu Schwangerschaften kam, ausgesetzt oder getötet worden sein sollen.22 Jedenfalls waren die Militärbordelle der Schauplatz nicht reproduktiver sexueller Aktivität. Kondome wurden nicht nur eingesetzt, um die Soldaten vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen, sondern auch um Schwangerschaften bei den Frauen, die zwangsweise in den Bordellen arbeiteten, zu verhindern. Außerdem wurden gesundheitsschädliche kontrazeptive Medikamente an die Frauen ausgeteilt. Im Gegensatz dazu ermutigte man, wie erwähnt, die verheirateten Frauen an der Heimatfront zur Produktion von gesunden Soldaten und kaiserlichen Untertanen.23

Im Laufe der 15jährigen Kriegsphase durchzogen immer mehr Bruchlinien die offiziellen Strategien für den Einsatz der Frauen, die als ideologisches Ziel die Erhaltung der Einheit der traditionellen Familie hatten.

In den Dreißigerjahren litten nicht nur viele Familien unter der ökonomischen Depression, sondern auch unter der Abwesenheit von Vätern, Ehemännern und Söhnen, die in den Krieg mussten. In dieser Beziehung war die Familie von Yasuko sehr gut daran, weil ihr Vater als Beamter den gesamten Krieg hindurch die finanzielle Basis der Familie sicherstellen konnte. Wo das nicht der Fall war, kam es sogar zu zahlreichen Mutter-Kind-Selbstmorden. 1937 wurde das „Mutter- und Kind-Schutzgesetz“ (Boshi Hogo Hô) beschlossen, das Familien unterstützte, in denen der Vater tot oder krank war oder die Familie verlassen hatte. Gleichzeitig wurde auch ein Gesetz zur Unterstützung von Familien, in denen der Vater als Soldat erkrankt, getötet oder verwundet worden war, verabschiedet. Mackie schreibt: „Diese Gesetze wurden zu einer Zeit erlassen, in der die Familien vom Verlust von Ehemännern, Vätern und Söhnen gerüttelt wurden, und sich der Mythos der Kernfamilie mit dem Vater als Brotverdiener nicht mehr aufrecht erhalten ließ.“24


Frauen an der Arbeitsfront

Die Männer fehlten aber nicht nur in den Familien, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt.

In einer Zeit, in der Millionen Männer an die Front abgezogen wurden, war der Gedanke nahe liegend, die Lücken im Arbeitskräftepotential mit Frauen aufzufüllen. Aber noch 1942 lehnte das Innenministerium es „aus Rücksicht auf das Familiensystem“ ab, Frauen heranzuziehen. Premierminister Tôjô formulierte:

„Jene warme Urquelle, die den Haushalt beschützt, die Verantwortung für die Aufzucht der Kinder übernimmt, und die Frauen, Kinder, Brüder und Schwestern veranlasst, als Unterstützung für die vorderste Frontlinie zu agieren, basiert auf dem Familiensystem. Das ist die natürliche Aufgabe der Frauen in unserem Kaiserreich und das muss bis weit in die Zukunft erhalten bleiben.“25

Ende 1943 jedoch sah man keinen anderen Weg und schuf das sogenannte freiwillige Frauenarbeitskorps, zu denen sich unverheiratete Mädchen und Frauen zwischen 12 und 39 als potentielle Arbeitskräfte melden sollten. Druck von Seiten der Nachbarschaftsgruppen machte die Teilnahme praktisch verpflichtend. Zwischen 1943 und 1945 arbeiteten zirka 470 000 Frauen in diesem Programm. 26 Die Regierung griff zur Beschaffung von Arbeitskräften auch auf die Schulen zurück. Wie Yasukos Schwester Yumiko erzählt, wurde sie statt in die Schule in die Fabrik geschickt: „Ja, als ich auf die Mädchenschule kam, das war Shôwa 19, also 1944, da hatten wir drei Monate ungefähr normalen Unterricht, dann arbeitete ich in einer kriegswichtigen Unternehmen. Wir haben in einer Fabrik Lebensmittel für Soldaten, kanpan (Schiffszwieback), in Säcke verpackt. Das wurde an die Soldaten geschickt. Ich ging jeden Tag statt in die Schule direkt in die Fabrik. Wir lernten überhaupt nichts. Bis zum Ende des Krieges. Von morgens um 8 Uhr bis zirka nachmittags 16 Uhr. Die Fabriken waren alle im linken Teil der Stadt, ich glaube, das waren vier Kilometer. Straßenbahn fuhr keine. Also ging ich zu Fuß.“27 Yumiko war damals zwölf Jahre alt.

Die unerfahrenen jungen Arbeiter und Arbeiterinnen, nach vielen Jahren Krieg bereits oft unterernährt und bei schwacher Gesundheit, mussten aber bald sogar Mitternachtsschichten bestreiten. Arbeit wurde offiziell als “gleichwertig der Erziehung” proklamiert.

Bis zum Kriegsende wurden ungefähr 3 400 000 Schulkinder und Studenten kriegsdienstverpflichtet.28

Ein Zeitzeuge, der zu Kriegsende elf Jahre alt war, erinnert sich, dass auch er nicht zur Schule ging, sondern „in einer Fabrik in der Nähe half. Auch Grundschüler gingen dahin, das war aber für die Fabrik ein Problem, denn die Kinder hatten keine Kraft und haben nur der Form halber in der Fabrik gearbeitet.“29

Außer Schülern und Schülerinnen wurden auch Arbeitslose angeheuert und Koreaner, die nach Japan emigriert waren. Weiters wurden hunderttausende Koreaner und Chinesen von Taiwan und dem Festland zur Schwerarbeit im Bergbau und am Bau herangezogen und Zehntausende starben dabei.30

Haruko Taya Cook beschreibt im Artikel „Der Tod von Frauen als Kriegswaffe in Japans `Endkampf´” ein Bild im Yasukuni-Schrein, das 1944 angefertigt wurde und Frauen darstellt, die damals im Dienst des Kaiserreiches arbeiteten. Der Yasukuni-Schrein ist jene umstrittene Shintô-Gedenkstätte für als Götter verehrte gefallene Soldaten in Tokyo, dessen Besuch durch japanische Spitzenpolitiker in den vergangenen Jahren für innen- und außenpolitischen Wirbel gesorgt hatte.

Auf dem Gemälde sind Lehrerinnen, Krankenschwestern, Bäuerinnen, Bergleute, Schmiedinnen, Fabriksarbeiterinnen, Friseurinnen, Ladenbesitzerinnen, Straßenbahnschaffnerinnen, Autobuschauffeurinnen und Briefträgerinnen abgebildet.31 Aus diesem Bild lässt sich ablesen, dass die zugespitzte Lage es immer nötiger machte, Frauen auch in „männlichen Bereichen“ einzusetzen. Aber angesichts der anhaltenden Zurückhaltung an der Spitze des Staates gegenüber Berufsarbeit von Frauen schritt die Mobilisierung der weiblichen Arbeitskraft nur zögerlich voran. Es gab zwar einen signifikanten Anstieg von berufstätigen Frauen, da diese und ihre Familien Geld und die Fabriken Arbeitskräfte brauchten, aber er blieb viel niedriger als in den USA, der Sowjetunion, Deutschland oder Großbritannien.32


Frauen und Militär

Der enorme Menschenverschleiß auf den Kriegsschauplätzen regte zur Überlegung an, Frauen auch an die Front zu schicken. Auf dem Gemälde im Yasukuni-Schrein sind Frauen zu erkennen, die militärische Fähigkeiten trainieren. So befindet sich in der oberen rechten Ecke, unter einem aufsteigenden japanischen Flugzeug, eine Gruppe junger Frauen mit Speeren auf den Schultern, die zum Befehl eines uniformierten Mannes marschieren. Im Hintergrund des Gemäldes zielen Frauen mit Bambusstäben auf einen menschengroßen Mann aus Stroh. Mädchen in Schuluniform liegen auf dem Bauch in einem Graben, und üben mit Gewehren auf ihren Schultern zu schießen.33

Mackie dazu: “Im Dezember 1944 schrieb ein Militärangehöriger einen Artikel im Frauenmagazin Fujin Kurabu (Frauen-Klub), in welchem er den Frauen sagte, dass es für sie nötig sein werde, in der letzten Schlacht auf japanischem Boden auch selbst zu den Waffen zu greifen. Obwohl der Artikel Gewehre erwähnt, war es wahrscheinlicher, dass man die Frauen mit Bambusspeeren ausrüsten würde.“34

Yasuko berichtet über Übungen mit Naginata, zu deutsch etwa Hellebarde. „Das sind Holzstöcke“, erklärt Yasuko. „ Buben übten kendô, Fechten mit dem Bambusschwert, Mädchen übten mit Naginata. Wenn die amerikanischen Soldaten mit ihren langen Beinen kämen, sollten wir sie mit den Naginata zu Fall bringen.“35 Naginata sind zirka zwei Meter lang, in der Regel ist der Schaft aus Holz, die Klinge aus Metall. Entwickelt wurde diese Waffe in der Heian-Zeit, und im Laufe der Geschichte wurde sie oft als Frauenwaffe gebraucht. Gegen die amerikanischen Besatzer kam die Waffe aber nicht zum Einsatz. Denn die Besetzung der japanischen Hauptinseln nach dem 15. August 1945 ging entgegen allen Erwartungen friedlich vor sich.

Es kam tatsächlich nicht zu einem “gleichberechtigten” Einsatz von Frauen als Kämpferinnen an der Front. Japan fasste die Möglichkeit von weiblichen Soldaten nicht einmal im Endstadium des Krieges ins Auge, als es zu einem drastischen Mangel an militärischem Personal kam. Ganz zu Ende des Krieges, 1945, wurden Frauen als Wartungspersonal im Flugwesen und als Sanitätspersonal in der Luftwaffe eingestellt. Sie wurden aber weder im einen noch im anderen Fall einer kämpfenden Truppe zugeordnet, sondern als Hilfspersonal bei der Unterstützung im Hinterland verwendet. Im Frühjahr und Frühsommer 1945 leisteten japanische Soldaten und die Zivilbevölkerung auf Okinawa einen erbitterten Widerstand gegen die Invasion der amerikanischen Truppen. Aber auch unter diesen extremen Bedingungen wurden freiwillige Truppen wie die berühmte Himeyuri-Schülerinnentruppe36 zur Unterstützung der Nachhut und nicht im Kampf eingesetzt. Das Nationale Freiwilligen-Korps, das knapp vor Kriegsende gegründet wurde, nahm auch Frauen zwischen 17 und 40 Jahren auf.37 Diese zivilen Einheiten unterstanden der Armee und trainierten zusammen für die Abwehr eines amerikanischen Einmarsches auf den japanischen Hauptinseln, der für den Herbst erwartet wurde, aber nach dem Abwurf der Atombomben nicht mehr nötig war. Die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Frontkämpfern wurde in diesem Fall verwischt, aber, meint Ueno Chizuko, es würde zu weit gehen, diese Frauen als weibliche Soldaten zu bezeichnen.

Es geht bei dieser Diskussion nicht darum, dass es unbedingt wünschenswert gewesen wäre, Frauen als Soldatinnen einzusetzen, sondern darum, dass in Japan damals nur Soldaten als vollwertige Staatsbürger angesehen wurden. „Der Militärdienst war der Schlüssel zur `Nationalisierung´, schreibt Ueno. „Wenn das passiert, dann ist die Nation zweigeteilt, auf der einen Seite jene, die die Ehre haben, für ihr Land zu sterben, auf der anderen Seite jene, die diese Ehre nicht haben. Und nur die ersteren erwerben die Qualifikation zum Staatsbürger. Der Krieg macht die Geschlechtergrenzen sichtbar, die sich in Friedenszeiten ausgedehnt haben.“

Militärische Helden, die sich nach ihrem Tod in einen “Kriegsgott” – kami - verwandeln und im Yasukuni-Schrein angebetet werden können, sind fast nur Männer. Der Platz, den Frauen dort haben, ist jener „als Mutter eines Kriegsgottes, der im Yasukuni Schrein ruht.“ In den Sechzigerjahren wurden auf Betreiben der Japanischen Krankenschwester-Vereinigung auch Militärkrankenschwestern, die an der Front den Tod fanden, in die Reihe der „kami“ aufgenommen. Sie werden für ihren Einsatz geehrt, die Kampfeskraft der Soldaten an der Front wiederherzustellen. Ueno verweist darauf, dass die „Trostfrauen“, die ebenfalls zur Wiederherstellung der Kampfeskraft der Soldaten beitrugen und sogar tatsächlich auch als Krankenschwestern herangezogen wurden, im Unterschied dazu Verachtung ernteten.38

Auf der Website des Yasukuni-Schreines liest man, dass 2 466 000 Soldaten, die in den diversen kriegerischen Auseinandersetzungen seit 1853 ihr Leben verloren, hier als Götter angebetet werden. Was Frauen angeht, so wird darauf hingewiesen, dass auch die Seelen von Miitärkrankenschwestern und Studentinnen, die auf dem Kriegsschauplatz Hilfe leistend umgekommen waren sowie von Schülern und Schülerinnen, die in Rüstungsbetrieben kriegsdienstverpflichtet getötet wurden, im Yasukunischrein verehrt werden.39


Massenselbstmorde von Frauen

Eine grausame Rolle an der Front – und zwar wehrlos dem Feind ausgeliefert - wurde nach Haruko Taya Cook den Frauen im letzten Kriegsjahr zugeteilt. Sie bezieht sich auf das erwähnte Gemälde im Yasukuni-Schrein. Sie schreibt, dass dieses Bild, das eine reiche Quelle der gebilligten Tätigkeiten von Frauen in der Kriegszeit bildet, eine äußerst wichtige Dimension der Rolle der Frauen auslässt, die sich im Sommer 1944 abzeichnete: Man sieht Frauen nicht sterben. Im letzten Kriegsjahr wurde aber der massenhafte Selbstmord von Frauen im Rahmen der sogenannten „gyokusai“ als eine ideologische Waffe im „Endkampf“ eingesetzt. Das Wort „gyokusai“ besteht aus zwei Zeichen, die „Juwel“ und „zerschmettern, zerstören“ bedeuten. In einem chinesischen Klassiker wurde es in dem Sinn verwendet, dass ein souveräner Mensch eher seinen liebsten Besitz zerstört als seine Prinzipien zu verraten. Im Zweiten Weltkrieg hatte es die Bedeutung von „Ehrentod“, „Tod fürs Vaterland“, „Aufopferungstod“, „Heldentod“ oder „Kampf bis zum letzten Mann“. Zum ersten Mal wurde dieser Begriff im Mai 1943 verwendet, als die Amerikaner die Insel Attu in den Aleuten zurückeroberten. Von der Kriegsführung und den Medien wurde der sinnlose Tod einer Garnison, die von jeder Hoffnung auf Verstärkung oder Flucht abgeschnitten war und von zahlenmäßig überlegenen Truppen überwältigt wurde, in einen Akt heroischer Selbstaufopferung umgewandelt und mit der Bezeichnung „Attu gyokusai“ versehen. Diese Formulierung klang poetisch und wurde in der Folge als eine beschönigende Bezeichnung aufgegriffen.

Im Sommer 1944 fand die Schlacht von Saipan statt, „Saipan gyokusai“, die den Terminus erst richtig bekannt machten. Teil des Mythos von der „Saipan gyokusai“ war die heroische Selbsttötung unbewaffneter Frauen im Angesicht des Feindes.

Japanische Zeitungen titelten mit Aufmachern wie “Die heroischen letzten Momente unserer Landsleute auf Saipan/ Heldenhaft begehen auch Frauen Selbstmord auf den Felsen vor der Großen Sonnenflagge/ Das Ausmaß ihres Patriotismus erstaunt die Welt.“

Japanische Frauen „zogen sich ihr bestes Gewand an, beteten in Richtung Kaiserlicher Palast und begingen heldenhaft Selbstmord an vorderster Front vor den Amerikanischen Teufeln”. „Sie opfern sich für die nationale Notlage gemeinsam mit den tapferen Männern“. „Frauen kämmten ihr Haar und legten Make-up auf beim Aufbruch in den Tod”. “Sie reinigten ihre Körper, beteten zur Sonnenflagge und begingen mit Handgranaten Gruppen-Selbstexplosion.” Ein japanischer Dichter forderte in der Yomiuri-shinbun alle japanischen Frauen auf, sich auf einen „schönen Tod“ vorzubereiten, sobald sich der Feind der japanischen Hauptinsel nähere.

Nach Haruko Taya Cook wurde der heroische Massenselbstmord von Frauen im letzten Kriegsjahr, in dem noch eine Million Zivilisten und über eine Million Soldaten starben, als Propagandamittel und politische Waffe eingesetzt. Politischer Hintergrund sei es gewesen, im Angesicht der sicheren Niederlage im Krieg die Verantwortung dafür vom Kaiser fernzuhalten. Einerseits wendete man die Aufmerksamkeit der Bevölkerung in Richtung Tod und wollte so die Öffentlichkeit auf mehrere Monate aufreibenden Kampf vorbereiten. Währenddessen würden anderseits die Staatsmänner die Alliierten überzeugen, dass die japanische Bevölkerung tatsächlich darauf eingestellt war, bis zum Letzten zu kämpfen. Dieses Argument sollte der amerikanischen Forderung nach bedingungsloser Kapitulation, welche die Position des Kaiserhauses gefährden würde, entgegengehalten werden. Der schöne Tod von Frauen, die lieber starben als sich zu ergeben, wurde als „Schutzschild für den Kaiser“ präsentiert. Taya Cook vermutet auch, dass Frauen sich töten sollten, um die Männer zum Tod für das Vaterland zu ermutigen. Von der Kriegspropaganda angestachelte und von lokalen Militärbehörden angeordnete Gruppenselbstmorde passierten nach Okinawa in noch größerem Ausmaß nach dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg im August 1945 in der Mandschurei.40


Militärbordelle

Während die kleine Yasuko behütet in einem sehr bürgerlichen konservativen Elternhaus aufwuchs und vom Krieg relativ wenig berührt wurde, während ihre Mutter möglicherweise die weiße Kleiderschürze überzog und patriotischen Verpflichtungen nachkam, befanden sich viele Japanerinnen außerhalb Japans in den Kolonien. Die Mehrzahl von ihnen waren Sexarbeiterinnen. Japans weltweiter Export von verarmten Frauen in das Sexgewerbe hatte um 1860 in die USA, nach Südafrika, Südostasien und China begonnen. Und schon vor dem Kriegsausbruch befanden sich eine große Anzahl von japanischen Frauen in der Prostitution und verwandten Geschäftsfeldern in Korea und der Mandschurei.

Japanische Sexarbeiterinnen wurden in diesen Ländern als „Front-Truppen der Kolonialpolitik“ kritisiert.41

Nach dem Mandschurischen Zwischenfall 1931 begann Japan dann mit der systematischen Errichtung von „Troststationen“, japanisch „ianjo“, in den eroberten Gebieten. Als Prostituierte arbeiteten Japanerinnen, aber vor allem Frauen aus den Kolonien, in erster Linie Frauen aus Korea, China, Japan und den Philippinen, aber auch aus Thailand, Vietnam, Malaysia, Taiwan, Indonesien und anderen von den Japanern im Laufe des Krieges besetzten Gebieten. Das Thema dieser „jûgun ianfu“, wörtlich der „Front-Trostfrauen“, schlägt seit einigen Jahrzehnten, ausgehend von Korea in den Siebzigerjahren, Wogen in der politischen Diskussion und in der Frauenbewegung. In den 1990igern war die Frage der militärischen Trostfrauen Hauptgegenstand von Untersuchungen in der japanischen Debatte über Nationalismus und Geschlecht (gender).42

Auch heute wird die Problematik der Trostfrauen im Dienst des japanischen Militärs während des 2. Weltkriegs noch lebhaft diskutiert und das Thema ist noch immer hochpolitisch, sowohl in Japan wie auch im übrigen Ostasien.43 Weil das Thema sehr kontroversiell ist, möchte ich diese Facette der Frauengeschichte Tessa Morris-Suzuki, Professorin für Japanische Geschichte am College für Asien und den Pazifik an der Australischen Nationaluniversität, zusammenfassen lassen. Sie stellte der Web-Zeitschrift JapanFocus einen Artikel mit dem Titel „Japans Trostfrauen: Es ist Zeit für die Wahrheit (im normalen alltäglichen Sinn des Wortes)“ zur Verfügung.

Darin schreibt sie, dass es zwar über die Geschichte der `Troststationen´ viele Irritationen und Kontroversen gebe, einige Fakten aber eindeutig seien: Im gesamten besetzten Gebiet in Asien wurden während des Krieges Militärbordelle zur Benützung durch japanische Soldaten geschaffen. Die ersten wurden schon 1932 eingerichtet, (nach dem `Mandschu-Zwischenfall´, der Eroberung der Mandschurei und der Errichtung des japanischen Marionettenstaates Manchukuo), aber die meisten erst nach dem Ausbruch des Krieges in China 1937. Manche davon wurden von Zivilisten privatwirtschaftlich geführt, aber von den Mitgliedern der japanischen bewaffneten Truppen frequentiert, andere wurden direkt vom japanischen Militär eingerichtet und betrieben. Der frühere Premierminister Nakasone erinnert sich, dass er den Aufbau einer `Troststation´ für die Benützung durch Männer seiner Marinetruppen bewilligt habe.

Die genaue Anzahl der Frauen, die für die Arbeit an diesen Orten rekrutiert wurden, ist unbekannt – Schätzungen reichen von 20 000 bis 400 000, der Historiker Yoshimi Yoshikaki spricht in einer sorgfältig durchgeführten Studie von 50 000 bis 200 000. Die Methoden der Rekrutierung und die Bedingungen für die Frauen unterschieden sich enorm. Manche waren Japanerinnen, die schon vorher als Prostituierte gearbeitet hatten, `Freiwillige´ in gewissem Sinn, obwohl sie oft durch den Druck von Armut, Schulden und Verzweiflung dazu getrieben wurden. Eine sehr große Anzahl waren Frauen aus Korea und China. Viele waren mit Versprechungen von Arbeit in Fabriken oder Restaurants von ihrer Wohnstätte weggelockt worden, nur, um sich selbst in `Troststationen´ in fremden Ländern eingekerkert zu finden. Andere Frauen in Korea, Südostasien und anderswo wurden mit vorgehaltener Waffe zusammengetrieben. Manche wurden davor noch von Soldaten vergewaltigt.
Viele Leute waren in die Rekrutierung von `Trostfrauen´ involviert, nicht nur Soldaten, sondern auch Mitglieder der koreanischen Kolonialpolizei, die natürlich unter japanischer Befehlsgewalt tätig waren, und zivile Vermittler, die häufig mit Methoden der Täuschung arbeiteten, die identisch waren mit jenen, die heute im Menschenhandel verwendet werden. Zwangsarbeiter für Bergbau und Fabriken wurden mit derselben Mischung aus offener Gewalt, Drohungen und falschen Versprechungen angeworben.

Beweis dafür sind die Aussagen einer sehr großen Anzahl von Frauen, die hervorgetreten sind, um ihre Geschichte zu erzählen, und das trotz des Leids, das sie ertragen und trotz des Stigmas, das sie überwinden mussten.

Beweise dafür liefern auch die Aussagen früherer Mitglieder des Militärs, die `Troststationen´ benützten und von jenen (wie Nakasone), die in die Errichtung involviert waren. Obwohl in den Endstadien des Krieges viel Belegmaterial zerstört wurde (unabsichtlich oder ganz bewusst), enthüllen Dokumente, welche die Dienstvorschriften und den Betrieb der `Troststationen´ genau beschreiben ebenso wie erhaltene Tagebücher von Soldaten an der Front deutlich die Beteiligung des japanischen Militärs bei der Schaffung und Erhaltung des Systems. Auch von Yoshimi Yoshiaki zu Tage gebrachtes weiteres Beweismaterial bestätigt diesen Umstand.44

Die japanische Regierung leugnete die Existenz der „jûgun ianfu“ bis zu dem Zeitpunkt, als das Forscherteam um Yoshimi Yoshiaki eindeutige Beweise vorlegte. Das Parlament beschloss daraufhin eine Entschuldigung bei den Betroffenen und Kompensationszahlungen 45 über einen Fond, der aus privaten Mitteln gespeist wurde. Die Regierung lehnt jedoch bis heute den Vorwurf ab, dass die Rekrutierung der „Trostfrauen“ und der Betrieb der Frontbordelle vom Militär selbst und mit Anwendung von Zwang organisiert wurden und dass es sich dabei um ein „Kriegsverbrechen“ bzw. ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gehandelt hätte.46 Sie verweigert bisher zudem die geforderten individuellen Entschädigungen. Auch die letzte Entschuldigung des japanischen Premierministers Kan Naoto gegenüber Korea am 10. August 2010 „für das große Leid und den Schaden, der durch die japanische Kolonialherrschaft verursacht wurde“, stellte die ehemaligen Zwangsprostituierten und ihre Unterstützer nicht zufrieden.47


Kriegsverantwortung und Frauen

In ihrem Buch „Nationalism and Gender“ schreibt Ueno Chizuko, der Einfluss des Feminismus der Achtzigerjahre auf die Frauengeschichte habe bewirkt, dass Frauen nicht mehr als „passive Subjekte“, sondern als „autonom Handelnde, die Geschichte schaffen“ gesehen werden. Die japanische Frauengeschichtsforschung betrachtete Frauen nicht mehr nur als Opfer, sondern als potentielle Täterinnen. Das führte zur Frage, ob japanische Frauen den Krieg unterstützt bzw. Kriegsverantwortung haben.48

Eine Antwort kann man sicher geben: Japanische Frauen haben nicht in dem Sinn Kriegsverantwortung auf sich geladen, dass sie militärische Entscheidungen treffen oder beeinflussen hätten können. Das passierte in einer rein männlich besetzten Welt. Aber die meisten Frauen machten mit. Ohne Zweifel haben japanische Frauen den Krieg unterstützt. Frauen spielten eine Rolle als „Kriegs-cheerleader“, zitiert Ueno eine andere feministische Autorin.49 Sogar die Ikonen der japanischen Frauenbewegung wie Hiratsuka Raichô oder Yosano Akiko streiften zumindest an Nationalismus und Kaiserverherrlichung an. Ichikawa Fusae betätigte sich sogar aktiv in den staatnahen Frauenorganisationen. Sie war eine von nur acht japanischen Frauen, die nach Kriegsende von den amerikanischen Besatzungsautoritäten für ihre Aktivitäten in der Kriegszeit einer Säuberung anheim fielen.50


Die Haltung der Feministinnen

Ichikawa Fusae, geboren 1893, war bis zu ihrem Tod 1981 eine der führenden Persönlichkeiten des Ringens um die Gleichberechtigung von Frauen in Japan. Sie stammte aus armen, aber erziehungsbeflissenen Verhältnissen. Ihre berufliche Karriere begann als Volkschullehrerin und führte über den Journalismus in die Gewerkschaft. 1919 rief sie zusammen mit Hiratsuka Raichô die Vereinigung Neuer Frauen ins Leben. Nach einem Studienaufenthalt in Amerika leitete sie ab 1924 den "Verein zur Erlangung des Frauenwahlrechts" und wurde die führende Figur des Kampfes um das Frauenwahlrecht, das die Japanerinnen erst nach dem Krieg, dann aber sofort, nämlich im Dezember 1945 erhielten. Von 1947 bis 1950 durfte sie nicht politisch tätig sein, aber ab 1953 war sie bis zu ihrem Tod fast ununterbrochen unabhängige Abgeordnete im Oberhaus der japanischen Nationalversammlung und setzte sich für Frauenbelange und eine saubere Politik ein.

Feministische Autorinnen heute bemühen sich, die Laufbahn Ichikawas, die sich in Sachen Gleichberechtigung hochverdient gemacht hat, differenziert zu beurteilen.

Während der Kriegsjahre, vor allem ab 1937, war sie aktiv im Dienste der „nationalen geistigen Mobilisation“ und setzte sich „für die Stärkung der Verteidigung an der Heimatfront“ ein. Sie stieg die Karriereleiter in den diesbezüglichen staatlichen Organisationen hinauf. 1942 wurde sie Funktionärin des Beratungsgremiums der Großjapanischen Frauenvereinigung und bekleidete eine leitende Position in der Großjapanischen Vereinigung für Patriotische Meinungsäußerungen.

Ishikawas Unterstützung und Teilnahme waren deutlich sichtbar, und sie selbst gab diesen „Fleck“ auf ihrer Karriere immer zu. Sie sei später als integre Persönlichkeit geachtet worden, weil sie niemals versuchte, diesen „Fleck“ zu vertuschen, sagt Ueno Chizuko und urteilt: „… dass bei dem vorhandenen Grad der staatlichen Unterdrückung Ishikawa kaum eine andere Wahlmöglichkeit hatte als zu kooperieren, wenn sie die Bewegung für das Frauenwahlrecht schützen wollte.“ Man könne Ishikawas Weg als das folgerichtige Leben einer Kämpferin für das Frauenwahlrecht, die gleichzeitig eine außerordentliche Aktivistin ist, sehen. Für Ishikawa habe das die ständige Unterstützung der Teilnahme von Frauen an öffentlichen Aktivitäten bedeutet. Der Fehler, den sie machte, sei, dass sie den Inhalt der öffentlichen Aktivitäten nicht in Frage stellte. Ihr starkes Missionsbewusstsein und ihr elitäres Denken hätten es sich gebracht, dass sie einen Ausschluss von dem, was sich abspielte, nicht ertragen konnte.51

Barbara Molony weist in einem Artikel daraufhin, das Ishikawa trotz ihrer Unterstützung für das System, es auch weiterhin kritisiert habe. „Ihre Kritik richtete sich aber nicht gegen den Krieg, sondern dagegen, dass die Regierung unabhängige Frauenorganisationen ausgelöscht oder den offiziellen Frauenorganisationen einverleibt hatte. Sie glaubte, dass die Frauen letztlich betrogen würden, weil sie nicht als Bürgerinnen mit Rechten, sondern als Untertanen mit Pflichten behandelt wurden.“52

Yosano Akiko, geboren 1878, war bereits eine berühmte Dichterin, als Hiratsuka Raichô 1911 die Zeitschrift „Der Blaustrumpf“ (Seitô) gründete. „Seitô“ war nicht nur die erste literarische Frauenzeitung in Japan, sondern verbreitete dezidiert feministische Inhalte. Akiko arbeitete bei dieser Zeitschrift mit. Beide Frauen schrieben lebenslang über Frauenthemen und setzten sich für Frauenbelange ein, wenn sie auch zu manchen Themen konträre Positionen einnahmen. Beide engagierten sich nicht öffentlich für den imperialistischen Staat wie Ichikawa Fusae, priesen aber in vereinzelten Werken den Tennô.

„Da Hiratsuka während des Krieges nicht so energisch an öffentlichen Aktivitäten teilnahm wie Ichikawa, wurde die Frage nach ihrer `Kriegsverantwortung´ bis vor kurzem nicht gestellt“, schreibt Ueno Chizuko. Hiroko Tomida setzt in ihrer 2004 erschienenen Biographie Hiratsuka Raichô, die von 1886 bis 1971 lebte, in Gegensatz zu Ichikawa Fusae und anderen bedeutenden Frauen. „ Hiratsuka hingegen hatte keine Absicht, mit dem Krieg in irgendeiner Weise zu kooperieren und sie blieb stumm. Ihr Name erschien in keiner der von der Regierung gesponserten Frauenorganisationen.“ Tomida erzählt, dass Hiratsuka 1942 gemeinsam mit ihrem Mann Tokyo verließ, um nicht in die Kriegsaktivitäten hineingezogen zu werden. Bis 1947 lebte sie in einem Dorf in der Präfektur Ibaraki, wo sie eine Ziege hielt, Käse machte und eigenes Gemüse zog. „Anders als die große Mehrheit der Feministinnen und anderer hervorragender Frauen ihrer Zeit , weigerte sich Hiratsuka, die Regierung in irgendeiner Weise zu unterstützen, trotz des Druckes der Regierung. Sie leistete einfach schweigenden Widerstand gegen den Krieg.“53

Ueno Chizuko sieht das kritischer: „Ein nochmaliges Lesen der Literatur der Kriegszeit brachte mit sich, dass die Kehrseite von Hiratsuka´s Materialismus, vor allem ihre eugenische Ideologie, seit kurzem unter Beschuss gekommen ist…Unerwartet ist klar geworden, dass sie Prosa verfasst hat, die den Kaiser enthusiastisch lobt. Zusammen mit der Neueinschätzung von Hiratsuka als Theoretikerin, ist eine Bewegung entstanden, die die Besonderheiten der Strömung des japanischen Feminismus, die von ihr angeführt wurde, neuerlich überprüft.“54 Ueno bezieht sich auf den sogenannten „bôsei hôgô ronzô“, den „Mutterschutz-Streit“, der um 1918 vor allem zwischen Yosano Akiko und Hiratsuka Raichô wogte. Yosano war Mutter von elf Kindern, die sich durch ihr Schreiben ernährte und bestens bekannt mit finanziellen Problemen war. Sie vertrat den Standpunkt, dass staatliche Unterstützung die Abhängigkeit der Frauen fördere. Hiratsuka forderte eine staatliche Unterstützung für Mütter und ein Heiratsverbot für geschlechtskranke Männer. Sie begrüßte den Schutz und die Kontrolle der Mutterschaft durch das Mutter- und Kind-Schutzgesetz von 1938 sowie das Nationale Eugenik-Gesetz zur Hervorbringung erbgesunder Staatsbürger von 1940 und die Mütter-Notizbücher für werdende und stillende Kinder, die 1942 geschaffen wurden.

„In gewissem Sinn“, schreibt Ueno, „ist Yosano´s Einsicht korrekt, die den Eindruck hat, dass Hiratsuka eine Nationalistin ist, die sich ausdrückt wie ein selbstherrlicher Militarist.“ 55

Aber auch die Erinnerung an Yosano Akiko bleibt nicht fleckenlos. Den Russisch-Japanischen Krieg 1904 bis 1905 hatte Yosano Akiko mit einem berühmt gewordenen Antikriegsgedicht kommentiert. Sie war seither als Pazifistin geachtet. 1932 jedoch dichtete sie das Gedicht „Japanisches Volk. Ein Morgenlied“, in dem sie im Anschluss an den sogenannten Shanghai-Zwischenfall56 den Soldaten-Tod glorifiziert und die japanischen Soldaten auffordert, die hundertfachen Leiden zu erdulden.57

Sie verteidigte den Einfall in die Mandschurei 1931 aus nationalistischer und pan-asiatischer Sicht, wenngleich sie die Gewalt kritisierte, und unterstützte ab 1932 durchgängig den kriegspolitischen Kurs der Regierung.58 Sie starb 1942.

Yamakawa Kikue, 1890 bis 1980, eine Ikone der sozialistischen Frauenbewegung, scheint es gelungen sein, sich weitgehend vom Druck zur Anpassung an die Staatsideologie frei zu halten. Die Möglichkeiten der staatsbürgerlichen Beteiligung an lokalen Verbesserungsbewegungen mobilisierte viele fortschrittliche Frauen, die eigentlich den nationalistischen Frauenorganisationen kritisch gegenüber standen. Aber Yamakawa Kikue machte nicht mit.59 Wahrscheinlich auch, weil sie persönlich direkt von den Einschränkungen für alle anders Denkenden betroffen war. Während des Krieges wurde die sozialistische Partei verboten und zum Schweigen gezwungen. Yamakawas Ehemann, eine leitende Persönlichkeit in der kommunistischen Bewegung, wurde eingesperrt. Yamakawa erlebte schwierige Jahre, zog sich aufs Land zurück und züchtete sogar Wachteln, um die Familie zu ernähren. Die Familie überlebte den Krieg aber hauptsächlich mit dem Geld, das sie mit Schreiben verdiente, unter anderem das Buch „Frauen aus Samurai-Familien“. Als die Kriegsituation sich verschlimmerte, wurden jedoch die opportunistischen Tendenzen auch in Yamakawa`s Arbeiten stärker, schreibt Ueno. Yamakawa trat immer für die Berufstätigkeit der Frauen ein und eines ihrer Hauptanliegen war der Schutz von Frauen am Arbeitsplatz, aber „…zumindest in ihren Schriften hörte sie auf zu fragen, ob diese Arbeit für die Fortsetzung eines Aggressionskrieges benützt wurde oder nicht .“60


Eine Form der „Frauenbefreiung“

In ihrem Buch “Nationalism and Gender” bespricht Ueno Chizuko aber nicht nur die Kriegsverantwortung prominenter Frauen und der führenden Elite, sondern auch die der „normalen Frauen“, der Frauen, wie Yasukos Mutter eine war, der großen Masse der Frauen „in den weißen Schürzen“. Diese Frauen arbeiteten wie beschrieben im Rahmen von Frauengruppierungen wie der Großjapanischen Frauenvereinigung für Nationale Verteidigung bzw. der Großjapanischen Frauenvereinigung oder von Nachbarschaftsgruppen – ein dichtes Netz davon überzog das Land. Sie bemühten sich um die Bewältigung des kriegerischen Alltags bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer patriotischen optimistischen Gesinnung. Gegen Ende des Krieges wurde das Leben für die Bevölkerung schwieriger und schwieriger. Nahrungsmittel wurden immer knapper und immer teurer. Auch Yasuko erzählt davon, dass man im eigenen Garten Erdäpfel und Kürbis anpflanzte. In ihrer Erinnerung quälte sie der Hunger weit mehr als die Angst vor Bombenangriffen.61 Die Kleidung wurde ebenfalls rationiert und die Frauen trugen nun hauptsächlich mompe, die weiten Arbeitshosen. Vor allem aber bedrückte Angst um die Nächsten an der Front oder im Hagel der Bombenangriffe in den großen Städten die Zivilbevölkerung. Die Regierung drängte die Menschen in dieser Situation, noch härter zu arbeiten und noch opferbereiter zu sein.62 Die Frauen hatten dabei die Aufgabe, durch ihre emotionale, produktive und reproduktive Arbeit die Situation im Griff zu behalten.

„Es ist klar, dass die Masse der Frauen den Krieg nicht nur negativ sah. Die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben, die durch den Krieg ermöglicht wurde, beschwingte sie und brachte eine neue Identität für die Frauen, und in der Erinnerung der Frauen war das ein Gefühl des geistigen Auftriebs,“ lässt uns Ueno Chizuko wissen.

So einleuchtend das klingt, war ich überrascht, als ich diese Sätze las, denn bisher hatte ich die Zivilbevölkerung in einem Krieg nur als Leidtragende betrachtet. Ueno zitiert jedoch japanische HistorikerInnen, die feststellen, dass der Einsatz der Frauen an der Heimatfront für die betroffenen Frauen als eine Form der Frauenbefreiung wirkte. So beschrieb Ichikawa Fusae in ihrer Autobiographie, dass die Frauen, die sich zur Gründung der Großjapanischen Frauenvereinigung für nationale Verteidigung (Dai-Nippon Kokubô Fujinkai) einfanden, „sowohl verwirrt wie auch erfreut“ waren, und dass „für die Masse der Frauen aus landwirtschaftlichen und Bergdörfern, die vorher keine Zeit für sich selbst hatten, es Frauenbefreiung war, wenn sie ihr Heim auch nur für einen halben Tag verlassen und einem Vortrag zuhören konnten.“

„Viele Frauen, die in der Großjapanischen Frauenvereinigung für nationale Verteidigung tätig waren, arbeiteten Tag für Tag und vergaßen dabei Essen und Schlaf, und sie erinnern sich daran als an `die besten Tage in unserem Leben´“, zitiert Ueno Chizuko.

Die meisten Feministinnen begrüßten, laut Ueno, auf die eine oder andere Weise den Plan zur Nationalisierung der Frauen durch den modernen totalen Krieg. Sie sahen den Einsatz der Frauen für den Staat nicht als Rückschlag, sondern als Innovation. Mit Aufregung und einer Art Missionsbewusstsein reagierten die Japanerinnen auf das neue System, das von ihnen Aktivität im öffentlichen Raum verlangte, aber auch möglich machte.

Hiratsuka Raichô kommentierte 1937 eine Round Table Diskussion über Probleme der Frauen in Kriegszeiten so: “Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass im Leben der Frauen eine massive Veränderung eingetreten ist, dadurch, dass die Masse der Frauen mobilisiert wurde, dass sie außerhalb ihrer vier Wände für die Gesellschaft und den Staat arbeiten müssen und dadurch, dass ihre Ehemänner es zu akzeptieren haben, dass ihre Frauen ihr Heim verlassen, um diese Art von Arbeit zu machen … In vielerlei Beziehung denke ich, dass die Gewohnheiten, die sich für die normalen Hausfrauen in diesen schwierigen Tagen herausbilden, und außerdem die Erfahrung der Zusammenarbeit in Gruppenprojekten, nur ein positives Erbe hinterlassen können.“

Feministinnen wie Hiratsuka Raichô oder Ichikawa Fusae verlangten sogar, dass Frauen noch weit mehr zu staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen werden sollten. Ichikawa sah nicht ein, warum Frauen nicht berufstätig sein sollten, wenn es nötig war, um die Produktivität zu steigern und äußerte ihre „tiefe Irritation“, dass „die Art und Weise, wie fast alle Männer auf allen Ebenen der Gesellschaft, angefangen von der Regierung, über Frauen denken, seit dem feudalen Zeitalter keinen Schritt weiter gekommen ist.“ Sie trat auch für die Einberufung von Frauen zum Militär ein und argumentierte, dass dies nicht in Konflikt mit dem Familiensystem stehe.

Was das Bewusstsein einer Kriegsverantwortung oder Kriegsschuld der breiten Masse der Frauen anlangt, so verweist Ueno auf die vielen Zeugnisse der “oral history”, die bei der Aufarbeitung der Vergangenheit durch lokale Frauengeschichtsgruppen ans Tageslicht gekommen sind. Dabei gebe es sehr wenige Beispiele von Frauen, die sich als „Täterinnen“ sehen. Auch die zu Kriegsende aus der Mandschurei Zurückkehrenden zeigten wenig Bewusstsein für ihre Rolle als Eindringlinge, die von militärischen Kräften beschützt wurden. Eine Tendenz sei festzustellen, auch Vergewaltigungen von chinesischen Frauen oder die Leiden der „Trostfrauen“ gering zu schätzen und mit dem Argument „Wir haben alle viel mitgemacht“ oder „Das ist halt so in solchen Zeiten“ abzutun.63

Wie würde Yasukos Mutter antworten, wenn man sie über ihre Haltung während des Krieges befragte? Aus Yasukos Erinnerungen geht nicht hervor, ob und wie die Mutter sich aktiv an den patriotischen Aktivitäten beteiligte. Aber dass ihre Mutter sich an die Anforderungen der Kriegszeit anpasste, ja, dass man sie wohl als „patriotische Mutter“ bezeichnen könnte, ist zu erkennen.

Da ist die eine Geschichte mit den „Trostbriefen“. Den Soldaten an der Front schickte man Trostpakete mit Trostbriefen. Auch Yasuko musste in der Schule Briefe an Soldaten verfassen. Sie schrieb einmal – tröstend, wie sie meinte - : „`Der Japanisch-Chinesische Krieg war nach zwei Jahren aus und auch der Japanisch-Russische Krieg war nach zwei Jahren aus. Und weil dieser Krieg auch schon zwei Jahre dauert, darum wird er auch bald aufhören, glaube ich. Weil ich es durchhalte, darum, Herr Soldat, stehen auch Sie es durch!´ Das schrieb ich, und gab diesen Trostbrief in der Schule ab. Ich soll ihn vor dem Absenden der Mutter zeigen, wurde mir daraufhin gesagt. `Um Gottes Willen, was schreibst du denn für Sachen, radiere das aus! `Du darfst nicht vom Ende dieses Krieges sprechen! Der hört nicht auf, in alle Ewigkeit!´“64

Und da ist die andere Geschichte vom 15. August 1945, dem Tag, als der Kaiser in einer Radioansprache Kriegsende und Kapitulation verkündete. Yasuko und Yumiko wurden von der Schule nach Hause geschickt, der Vater von seiner Arbeitsstelle. Die gesamte Bevölkerung sollte sich vor den Radioapparaten versammeln, um die Botschaft des Tennô zu hören. Die meisten wussten oder ahnten schon, was er ihnen mitteilen würde. Nur Yasukos Mutter hatte in ihren vier Wänden offensichtlich noch nichts davon gehört. In Yasukos Erinnerung reagierte sie mit den Worten: „`Dass der Krieg verloren ist, wenn das alle sagen, werde ich eben alleine bis zum Ende durchhalten.´“ Yasuko weiter: „Weil wir Radio hören sollten, darum drehten wir ihn auf. Der Tennô selbst sprach würdevoll aus dem Radio: `Wir werden Unerträgliches ertragen, Unaushaltbares aushalten.´ Daran erinnere ich mich sehr deutlich. Es war eine lange Rede. Den Sinn verstanden wir nicht gut, aber wir verstanden, dass wir, wie alle gesagt hatten, den Krieg verloren haben und der Krieg aus ist. Meine Mutter hatte zwar gesagt, wenn der Krieg auch aus sei, werde sie allein den Krieg fortsetzen würde, aber danach sagte sie nichts mehr.“65


Literatur:

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1 Der Artikel wurde der in Arbeit befindlichen Biographie „Imai Yasuko und ihre Welt“ entnommen und leicht abgewandelt.

2 Cook (2005): 259-294

3 Für die Kriegsereignisse, in die Japan zwischen 1931 und 1945 verwickelt war, werden verschiedene Bezeichnungen verwendet, die oft von der Welttanschauung beeinflusst sind. Am neutralsten sind die Begriffe „Zweiter Weltkrieg“ oder „Pazifischer Krieg“, die aber die bereits vor 1941 geführten Angriffskriege Japans auf dem asiatischen Kontinent nicht ausdrücklich berücksichtigen. „Der Große Ostasiatische Krieg“ war die offizielle Bezeichnung Japans für den Krieg während des Krieges, die heute von rechten Kreisen noch benützt wird. Den gesamten Ablauf der Kriege, die Japan ab dem Mandschurischen Zwischenfall von 1931 über den Krieg mit China ab 1937 führte, umfasst der Begriff „Der fünfzehnjährige Krieg“. Er wird eher von linken oder liberalen Kreisen bevorzugt. Der 1937 ausgebrochene Krieg mit China, lange als „China-Zwischenfall“ verharmlost, wird offiziell in Japan als „Nicchû sensô“, „Japanisch-Chinesischer Krieg“ bezeichnet, in neueren deutschsprachigen Quellen aber auch „Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg“ genannt. Siehe dazu auch Taya Cook & Cook (1992): 11.

4 Ueno (2004): 16-17, 191; McClain (2002): 492

5 National Diet Library (2006)

6 Taya Cook & Cook (1992): 172

7 zit. n. McClain (2002): 492

8 Ueno (2004): 17-18

9 Wikipedia: Kappôgi

10 Katarzyna Cwiertka (2005) und Referatsnotizen R. Linhart der 11th Conference of the European Association for Japanese Studies, Vienna, 2005.

11 Mackie (2003): 104

12 Wikipedia: Kappôgi

13 Shôwa kan: 2

14 Wikipedia: Imonbukuro

15 Taya Cook & Cook (1992): 177

16 Mackie (2003): 113

17 Interview Oka Yoshiteru: 10.05.2005, Notizen

18 Interview Imai Yasuko: 09.11. 2003, krieg 6.mp3/0-1

19 Mackie (2003): 110

20 Ueno (2004): 47, 48

21 Mackie (2003): 112

22 Green Left Weekly: 31.7.1996

23 Mackie (2003): 111

24 Mackie (2003): 105, 106

25 zit.n. Gordon (2003): 215

26 Gordon (2003): 115

27 Interview Shimizu Yumiko: 11.04.2008, WS_30198.WMA, 19-21

28 Taya Cook & Cook (1992): 173

29 Interview Oka Yoshiteru: 27.05.22010, Notizen

30 Taya Cook & Cook (1992): 173

31 Taya Cook (2005): 326

32 Gordon (2003): 215

33 Taya Cook (2005): 327

34 Mackie (2003): 113

35 Interview Imai Yasuko: 09.11.2003, krieg 6.mp3/1-2

36 Wikipedia: Himeyuri Gakutotai

37 Wikipedia: Kokumin giyûtai

38 Der Abschnitt „Frauen und Militär“ basiert auf Ueno (2004): 18, 19, 20, 21,202-203

39 Yasukuni jinja, Home-page

40 Sämtliche Informationen im Abschnitt über Frauenselbstmorde an der Front, auch die Zitate, wurden folgenden Seiten von Taya Cook (2005) entnommen: 327, 328, 338, 339, 338, 343, 345-348

41 Brooks (2005): 300-305

42 Ueno (2004): 69

43 Wikipedia: Comfort women

44 Morris Suzuki (2010)

45 Krebs (2009): 134

46 Wikipedia: Comfort Women

48 Ueno (2004): 15

49 Ueno (2004): 135

50 Molony (2005): 60

51 Ueno (2004): 22-24

52 Molony (2005): 59

53 Tomida (2004): 350-351

54 Ueno (2004): 23

55 Ueno (2004): 24-28

56 McClain (2002): 417 und Wikipedia: Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg

57 McClain (2002): 427) und japanischer Text des Gedichtes “Nihonkokumin. Asa no uta” von Yosano Akiko auf http://fujihara.cocolog-nifty.com/akiko/2006/08/post_d681.html, 19.11. 2010, 16:04 Uhr.

58 Germer (2007): 33

59 Mackie (2003): 106

60 Ueno (2004): 37

61 Interview Imai Yasuko, 09.11.2003, krieg.5mp3/2-3

62 Mc Clain (2002): 509

63 Quelle für den Abschnitt “Eine Form der Frauenbefreiung” ist Ueno (2004): 38-41

64 Interview Imai Yasuko: 09.11.2003, krieg_3mp3/1-3

65 Interview Imai Yasuko: 09.11.2003, krieg_5.mp3/5-8


Ruth Linhart | Japanologie Email: ruth.linhart@chello.at